Referendum über die Erdölbohrungen

„Ich hoffe, dass dieses Referendum scheitert“ schrieb Matteo Renzi während der Twitter- und Facebook live Session #Matteorisponde (Matteo antwortet) am 5. April. Gemeint ist das am 17. April geplante Referendum sulle trivelle (Volksabstimmung über Ölbohrungen).

In Italien kommt es relativ häufig zu derartigen Referenden. Seitdem 1974 eine Mehrheit der Aufhebung des Ehescheidungsgesetzes ein historisches „Nein“ entgegensetzte, gab es 60 Referenden. Die Bedingungen, ein solches Referendum durchzusetzen, sind relativ einfach: Entweder stellen mindestens fünf der zwanzig Regionen einen solchen Antrag oder eine Unterschriftenliste mit mindestens 500.000 Unterzeichnenden wird dem Parlament vorgelegt. Dieses Verfahren, das seit der Nachkriegszeit besteht, wirkte durchaus als Hürde. Aber da sich mittlerweile zum einen die Bevölkerung verdoppelt hat und zum anderen die Kommunikation einfacher wurde, ist es für Parteien und Bürgerbewegungen leichter geworden, auf diesem Weg Gesetze aufzuheben.

Volksabstimmungen sind in Italien meistens abrogativ: Ein Sieg der Ja-Stimmen sorgt dafür, dass ein Gesetz aufgehoben wird. Man wählt SI, um etwas abzulehnen. Die aktuelle Kampagne „NO TRIV“ (Nein zu Ölbohrungen) wirbt demnach für ein Kreuz beim SI.

trivelleWogegen sich das Referendum wendet

Worum geht es genau? Nach der aktuellen gesetzlichen Regelung, gegen die sich das Referendum wendet, darf im Umkreis von 22 km vor den Küsten Italiens nach Öl und Gas gebohrt werden, bis die Lager leer sind. Die notwendigen Lizenzen, die teilweise schon vor Jahrzehnten vergeben wurden, müssen nicht erneuert und damit auch nicht an aktuelle Umweltvorschriften angepasst werden. Gegen dieses für die Ölfirmen sehr vorteilhafte Gesetz kämpfen nicht nur Umweltaktivisten, sondern auch neun Regionen, deren Parlamente das Referendum verlangt haben. Es handelt sich um die Regionen Basilikata, Marken, Apulien, Sardinien, Venetien, Kalabrien, Ligurien, Kampanien und Molise.

Während die Politik und die Medien das Referendum monatelang eher totschwiegen, änderte sich die Stimmung in den letzten Wochen: Im Mittelpunkt der mittlerweile hitzig geführten Diskussion steht – wie oft in den letzten Monaten – die Regierung Renzi und die Partito Democratico (PD).

Umweltpolitisches Signal

Ursprünglich hatte die Regierung noch im vergangenen Dezember erklärt, keine Lizenzen mehr genehmigen zu wollen. Und die Mehrzahl der acht Regionen, die das Referendum verlangten, wird von der PD regiert. Schließlich unterstützen mehrere wichtige Persönlichkeiten und Parteimitglieder der PD das SI.

Viele wissen, dass ein Sieg des SI keine wirklich gravierenden Fortschritte zur Folge hätte, denn innerhalb der 22-km-Grenze gibt es faktisch nur wenige Ölplattformen. Dennoch sind viele davon überzeugt, dass mehr als 50 % SI-Stimmen ein wichtiges umweltpolitisches Signal wären. Gianluca Ruggieri, Professor des Polytechnikum Mailand, nannte in einem langen und ausführlichen Artikel im linksorientierten Blog „Gli stati generali“ drei Gründe, die für das SI sprechen: Erstens sei es unakzeptabel, dass Ölfirmen Lizenzen ohne Fristen bekommen, zweitens unterstütze ein SI wichtige Entscheidungen der Regierung für ihren Energieplan und drittens stünden Ölbohrungen nicht mehr im Einklang mit den bei der COP 21 gesetzten CO2-Zielen. Auch die Professorin der Mailander Universität Bicocca Michela Cella betont, dass Lizenzen ohne Fristen alles andere als ein Beispiel liberaler Politik seien.

Indirekte Aufforderung zum Boykott

Warum also hofft Renzi, dass das Referendum scheitert? Viele werfen die Regierung vor, von den Lobbies der Öl-Industrie beeinflusst zu werden. Der jüngste Skandal über Öllizenzen, der Industrieministerin Guidi zum Rücktritt zwang, trug sicherlich zu diesem Bild bei. Andere meinen, diese Auseinandersetzung sei nur eine Fortsetzung des parteiinternen Kampfes zwischen den Renziani und der Parteilinken. Ein weiterer Grund ist die traditionelle Skepsis der italienischen Gesellschaft gegenüber einer Umweltbewegung, die angeblich „nur Nein“ sagen könne.

Es bleibt zu bemerken, dass viele Bürgerinnen und Bürger die mehr oder weniger direkte Aufforderung Renzis a disertare le urne, den Wahlurnen fernzubleiben, sehr stört. Für die Gültigkeit eines Referendums muss eine Mindestwahlbeteiligung von 50 % erreicht werden. Da in den letzten Jahren die Wahlbeteiligung generell gesunken ist, plädieren Nein-Befürworter immer häufiger dafür, sich gar nicht erst an der Abstimmung zu beteiligen.
Eine Partei, die sich „demokratisch“ nennt, sollte aber, wie viele meinen, diese Art der Beeinflussung tunlichst unterlassen. Man erinnert sich nur allzu gut an den gescheiterten Appell des (korrupten) ehemaligen Premiers Bettino Craxi von 1991, statt zum Referendum über das Wahlsystem lieber „ans Meer“ zu fahren.

Egal wie das Referendum am nächsten Sonntag ausgeht: Es könnte zu einem neuen Rückschlag für die zerstrittene italienische Linke werden.