Gerangel um Nachfolge
Am vergangenen Dienstag wurde der fast achtzigjährige Silvio Berlusconi wegen einer schweren Insuffizienz der Aortaklappe am offenen Herzen operiert. Nach Auskunft der Ärzte hat er die Operation gut überstanden. Jetzt steht ihm eine längere postoperative Phase bevor, die bei einem Mann in seinem Alter nicht ohne Risiken ist.
Forza Italia ohne Kompass
Kaum hatte sich die Nachricht des bevorstehenden Eingriffs verbreitet, brodelten schon in den Medien die Gerüchte über den Kampf um die Nachfolge. In Wahrheit findet dieses Gerangel schon seit längerer Zeit statt, denn es ist evident, dass der alte und politisch angeschlagene Leader immer weniger in der Lage ist, in seiner zerbröckelnden Forza Italia die Fäden zusammenzuhalten, geschweige denn einen klaren politischen Kurs vorzugeben und umzusetzen. Mal gibt er die Parole aus, mit den Rechtsaußen von der Lega und Fratelli d‘ Italia ein Bündnis einzugehen. Dann wendet er sich von ihnen angewidert ab und beschwört die Wiederherstellung eines „moderaten“ Rechtsblocks unter Einbeziehung des mitregierenden Nuovo Centro Destra des abtrünnigen Angelino Alfano (der dazu angesichts der Zustände in der FI wenig Neigung zeigt). Natürlich ohne dass darüber eine parteiinterne Diskussion stattfindet, die diesen Namen verdient. Das ist in der Berlusconi-Partei nicht üblich und nicht erwünscht. Interne Fehden und Intrigen gibt es zwar reichlich, doch keine demokratischen Willensbildungsprozesse.
Ein Paradebeispiel für den konfusen Zustand der FI sind die gerade stattfindenden Kommunalwahlen. Während in Mailand ein gemeinsamer Kandidaten der Rechten – FI, Lega, Fratelli d‘ Italia – gefunden wurde, der es in die Stichwahl schaffte, erlitt die in Rom gespaltene Rechte Schiffbruch: Sowohl der von Berlusconi auf den letzten Drücker gesponserte Baunternehmer Marchini als auch die Kandidatin von Lega und Fratelli d‘ Italia, Giorgia Meloni, sind aus dem Rennen. Die Stichwahl wird zwischen der „Grillina“ Virginia Raggi und Renzis Vertrautem Roberto Giachetti (PD) ausgetragen. Was bedeutet, dass sowohl Berlusconi als auch Salvini in den Karren der 5-Sterne-Bewegung steigen, um Renzis Kandidaten zu schlagen.
„Ich sehe keine anderen Leader“
Insofern sind die zahlreichen Aspiranten auf Berlusconis Nachfolge nicht gerade zu beneiden. Nach zwanzig Jahren Herrschaft hat er nicht nur in seiner Partei, sondern auch in Italien einen politischen und moralischen Trümmerhaufen hinterlassen. Ganz anders als in seinem riesigen Finanzimperium „Fininvest“, welches das Einzige ist, was ihn wirklich interessiert. Dort kann er sich durchaus an soliden Verhältnissen erfreuen, trotz Korruptionsprozessen und Verurteilungen. Schon vor längerer Zeit sorgte er dafür, dass seine älteren Kinder Marina und Piersilvio im Konzern das Ruder übernehmen, allerdings unter der Aufsicht von gewieften Managern der „alten Garde“ wie Fedele Confalonieri und Ennio Doris, denen der Boss – anders als bei seinen politischen Weggefährten und Bündnispartnern – blind vertraut.
Sie sind neben seinen Kindern, seiner „Verlobten“ und dem treuen Berater Gianni Letta die bisher Einzigen, die seit seiner Einlieferung ins Krankenhaus Zugang zu ihm haben. Von den vielen Möchtegern-Nachfolgern – Carfagna, Toti, Gelmini, Brunetta und wie sie alle heißen – will er keinen sehen. Stattdessen erklärte er kurz vor seiner Operation trocken: „Ich sehe keine andere Leader“ (außer ihm selbst). Womit er zweifellos Recht hat.
Eine Wunschkandidatin hätte er eigentlich schon gehabt: seine älteste Tochter Marina. Doch die hat ihm schon vor langer Zeit klar gemacht, dass sie sich nur ums Geschäft kümmern will und nicht daran denkt, auch noch Papas politischen Chaosklub zu übernehmen. Zumal sie dort nicht gerade beliebt ist, am wenigsten bei denjenigen, die sich von Berlusconis Abgang erhoffen, dass dabei etwas für sie selbst abfällt. „Forza Italia ist zwar eine Monarchie“, bekannte jetzt freimütig der Fraktionsvorsitzende der FI in der Abgeordnetenkammer, Brunetta, um dann zu präzisieren: „aber keine Erbmonarchie!“
Ausblick auf die Zeit danach
Eine „Inthronisierung“ zeichnet sich also bisher nicht ab. Und auch wenn jetzt natürlich alle beteuern, die FI brauche gar keinen Nachfolger, der Chef sei bärenstark und werde bald wieder voll einsatzfähig sein: Berlusconi wird 80, und nach seinem gravierenden gesundheitlichen Einschnitt wachsen die Unruhe und die Machtkämpfe in der Partei. Ihr längst begonnener Niedergang wird sich beschleunigen, Zerrissenheit und Absetzbewegungen werden weiter zunehmen.
Die Kommunalwahlen zeigen, dass Renzis Hoffnung, vor allem er werde von diesem Zerfallsprozess profitieren, trügerisch ist. Das Fell des Bärens wird vor allem im populistischen Lager zerteilt, zwischen dem Le Pen-Freund Salvini und dem Farange-Freund Grillo. Düsteres Ende einer zwanzigjährigen düsteren Ära.