EU verbietet „Mafia“ als Markenzeichen

Rosy Bindi, Vorsitzende der Antimafia-Kommission, ist diesmal zufrieden: Die „Stelle für Marken- und Werbungszeichen“ der EU hat Ende Oktober einer spanischen Restaurantkette verboten, die Mafia als Name zu verwenden und auf Mafia anspielende Werbung zu betreiben.

Bindi hatte bereits vor zwei Jahren Einspruch dagegen eingelegt, dass die Fastfood-Kette, zu der ca. 40 Esslokale in ganz Spanien gehören, sich „La Mafia“ nennt. Genauer gesagt lautet der ganze Name: „La Mafia se sienta a la mesa“ („Die Mafia setzt sich zu Tisch“). Unter den Konterfeis von fiktiven und realen Mafiabossen – von Don Vito Corleone (dem Film-„Paten“) bis zu Lucky Luciano und Al Capone – werden dort italienische Spezialitäten serviert. Und für die lieben Kleinen gibt es den Sonderbereich „Los Piccolinos de la Mafia“. Süß, was? Mit Kindermenü für nur 8.50 Euro, einschließlich schwarz eingewickelten Bonbons mit der Aufschrift „La Mafia“. Mmmhhh…

Vom bulgarischen „Café Mafiozzo“ bis zum deutschen „Palermo Mafia shooting“

Zweifelhafte Gaumenfreuden

Zweifelhafte Gaumenfreuden

Nicht nur in Spanien wird mit dem Mafiasiegel kulinarisch geworben. So findet man zum Beispiel in Großbritannien die italienische Snacks „Chilli-Mafia“ und in Bulgarien (orthografisch ein wenig verhunzt) den „Cafè Mafiozzo“, in Belgien die Nudelsoße „Maffioso“ und in Deutschland die „Palermo Mafia shooting – der sizilianische Dipp“, eine Gewürz-Trockenmischung, die in der Onlinewerbung so angepriesen wird: „Südländisch, rassig und verboten gut. Ein Geschmack, für den la familia (nicht sehr italienisch, da fehlt das „g“) ihren Paten verraten würde“. Ohne Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe. Aber mit einem Revolver auf dem Etikett. Mafia-Genuss pur sozusagen.

Man stelle sich vor, eine Restaurantkette, die arabische Spezialitäten und Halal-Speisen anbietet, nennt sich – sagen wir – „Zum heiligen Krieg“ (Motto: „Der IS wünscht guten Appetit“) und schmückt seine Räume mit Fotos von Al-Baghdadi. Ok, das kann man sich nicht vorstellen. Dass man aber für eine angeblich italienische Gastronomie mit einer Organisation „wirbt“, die für das Abschlachten Tausender verantwortlich ist und deren Leichen – auch von Kleinkindern – gelegentlich „zur Entsorgung“ in Zement vermauert oder in Säure aufgelöst werden: das ist nicht nur vorstellbar, sondern Realität.

Zu welchen Perversitäten das „Werben“ mit der Mafia führt, zeigt das Beispiel eines – inzwischen geschlossenen – Restaurants in Österreich namens „Don Panino“: Dort wurden Sandwichs mit den Namen nicht nur bekannter Mafiosi („Don Greco“, „Don Buscetta“, „Don Corleone“), sondern sogar von Mafia-Opfern angeboten, wie „Don Falcone“ (ermordeter Antimafia-Staatsanwalt) und „Don Peppino“ (Peppino Impastato, ermordeter Journalist). Die zugehörige „Menubeschreibung“: „Gegrillt wie ein Bratwürstchen“ (Falcone) und „Sizilianer mit breitem Mund, in einer Bombe gegart wie ein Hähnchen in der Grillpfanne“ (Impastato).

Die Antimafia-Vereinigung „100 passi“, die nach der Ermordung von Impastato entstand, deckte den Fall auf und richtete 2013 eine Protestpetition an die damalige Außenministerin Emma Bonino Diese intervenierte sofort und das Lokal wurde geschlossen. Aber das Phänomen war, wie man sieht, damit nicht aus der Welt.

Und nicht nur gastronomisch, sondern auch musikalisch lassen sich mit der Mafia gute Geschäfte machen. Die in Deutschland aufgelegte CD „Il Canto della Malavita – La Musica della Mafia“ („Best of Uomini d‘ Onore“) wurde um 2000 zum Bestseller. Auch in intellektuellen „linken“ Kreisen, die sich an den melancholischen Gesängen und schaurig-poetischen Texten ergötzten. Dass darin Blutrache und Mord verherrlicht wurden: Na ja…

„Folklorisierung“ nutzt der Kriminalität

Wenn mafiose Kriminalität, die nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa und in Übersee aktiv ist, auf „italienische Folklore“ reduziert wird, drücke sich darin ein kultureller und moralischer Verfall aus, meint Bindi. Gepaart mit bodenloser Ignoranz, wäre hinzuzufügen.

Von dieser Ignoranz und Verharmlosung profitiert die Mafia in ihren verschiedenen Formen gewaltig – von Cosa Nostra bis zur Camorra, von der (im Ausland besonders präsenten) N’Drangheta bis zur Sacra Corona Unita. Denn während Italien über effiziente Antimafia-Gesetze und viele hervorragend qualifizierte Polizeibeamten, Richter und Staatsanwälte verfügt, sieht es damit im restlichen Europa wie in einem Entwicklungsland aus. Zur Freude der Bosse, die ihre Aktivitäten zunehmend ins Ausland verlagern, um möglichst ungestört sowohl ihren „legalen“ Geschäften nachzugehen als auch schmutzige Gelder zu waschen, die aus Drogen, Prostitution und Waffenhandel „erwirtschaftet“ wurden. Betroffen sind vor allem der Bausektor und die Gastronomie, aber auch Handel, Landwirtschaft, Wettgeschäfte, Müllentsorgung und sogar erneuerbare Energien.

Europäische Länder brauchen Antimafia-Gesetze …

Anders als in Italien gibt es in Deutschland und anderen europäischen Ländern weder den Strafbestand Zugehörigkeit zur Mafia noch die Möglichkeit, Verdächtige abzuhören oder Mafia-Vermögen zu konfiszieren. Das mache gerade das wirtschaftsstarke Deutschland zum Eldorado für die organisierte Kriminalität, meinen Mafia-Experten wie der Schriftsteller Roberto Saviano.

Und die Mafia passt sich den veränderten Rahmenbedingungen der Globalisierung an. „Die heutige Mafia mordet weniger und korrumpiert mehr“, meint Rosy Bindi. Die Mafia der mörderischen Attentate sei – auch Dank der Antimafia-Gesetze und konsequenter staatlicher Verfolgung in Italien – im Wesentlichen besiegt. An ihre Stelle trete eine Mafia, die international ganze Wirtschaftszweige und zum Teil auch die Politik beherrscht und korrumpiert.

Die institutionelle und gesellschaftliche Sensibilität ist dafür in Europa noch gering, wenn auch seit einigen Jahren die internationale Kooperation und der Informationsaustausch auf diesem Gebiet intensiviert wurden. Deutsche Justizbehörden suchen immer häufiger Rat bei erfahrenen italienischen Kollegen wie Staatsanwalt Roberto Scarpinato („Mafiosi von heute treten wie seriöse Unternehmer auf, mit weißem Kragen. Sie sind freundlich und sprechen mehrere Sprachen“).

… sowie kulturelle und moralische Sensibilisierung

Der Kampf ist jedoch nicht allein mit erfolgreicher Polizeiarbeit zu gewinnen. Denn die Mafia ist nicht „nur“ eine kriminelle Organisation, sondern korrumpiert die gesamte Gesellschaft. Sie muss daher auch auf kultureller und moralischer Ebene bekämpft werden. Dazu gehört, dass man sich dagegen wendet, die Mafia als Folklore zu verharmlosen, die eben zu Italien gehöre wie Pizza und Spaghetti.

Die spanische Restaurantkette „La Mafia“ ist von dieser Erkenntnis noch weit entfernt. Sie hat gegen die Entscheidung der EU Einspruch eingelegt. So viel Theater, nur weil man die „normale spanische Durchschnittsfamilie“ habe ansprechen wollen, die Lust auf italienische Küche hat! Italiener seien da wohl „überempfindlich“, meinen ihre Vertreter. Und außerdem: „La Mafia crea empleo“ („schafft Arbeitsplätze“), so ein Slogan der Fastfood-Kette. Spätestens da müssten alle Alarmglocken läuten. Denn auf just diesem „Argument“ beruht die immer noch vorhandene gesellschaftliche Macht der Bosse – in Italien und anderswo.

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