„Ich bin doch Apotheker“
Am vergangenen Sonntag gewann das Rechtsbündnis von Salvinis Lega, Berlusconis Forza Italia und Neofaschisten (Fratelli d‘ Italia) die Regionalwahlen in der Basilikata. Der ehemalige General und Berlusconi-Vertraute Bardi erhielt 42,2% der Stimmen, der Mittelinks-Kandidat Trerotola 33,1% und der Vertreter der 5-Sternebewegung 20,3%. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,6% (etwas höher als bei der Wahl davor).
Mit dem Sieg in der Basilikata gewann die von der Lega angeführte Rechte die dritte Regionalwahl in diesem Jahr, nach den Abruzzen und Sardinien. Nach der Parlamentswahl im März 2018 hatte sie sich bereits in der Lombardei, in Molise, Friaul und Trentino-Alto Adige behauptet. „7 zu 0!“, so Salvinis triumphierender und auf die PD zielende Kommentar nach dem Sieg in der Basilikata.
Die 5SB steht zwar als einzelne Partei mit ihren 20% noch knapp an der Spitze, hat aber gegenüber den Parlamentswahlen von vor einem Jahr, bei der sie in dieser Region über 44% bekam, mehr als die Hälfte ihrer Wähler verloren.
Die „Familiendynastie Pittella“
Das zweitplatzierte Mittelinks-Lager, das in der Region Basilikata jahrzehntelang die Regierung und den Regionspräsidenten stellte, hat ebenfalls verloren. Die Gründe liegen einerseits im generellen politischen Trend, der die rechtsradikale Lega – auch in Süditalien – stetig wachsen lässt. Sie sind andererseits aber auch hausgemacht und haben viel mit dem Zustand der PD und ihres „politischen Personals“ in dieser Region zu tun. Seit Jahren wird sie von der Familiendynastie Pittella dominiert. Schon der Patriarch, der Chirurg und Senatsabgeordnete Domenico Pittella, war ein bekannter Strippenzieher mit großem politischen Einfluss. Seine Söhne Gianni und Marcello setzten die Tradition fort, die man in Italien „Klientelismus“ nennt. Gianni schaffte es bis zum Europa-Parlament und folgte 2014 Martin Schulz als Fraktionsvorsitzender der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten, bis er im März 2018 in den italienischen Senat gewählt wurde und sein Mandat im EU-Parlament aufgab.
Marcello Pittella hat wie sein Bruder Gianni ebenfalls einige Etappen auf kommunal- und regionalpolitischer Ebene durchlaufen. 2013 erkor ihn die PD zu ihrem Spitzenkandidaten, woraufhin er mit großer Mehrheit (ca. 60%) in das Amt des Regionspräsidenten gewählt wurde, obwohl er damals schon gemeinsam mit anderen Regionspolitikern wegen Veruntreuung unter Anklage stand (2015 wurde er zur Zahlung eines Schadenersatzes an die Region verurteilt). Anfang Juli 2018 wurde er wegen einer spektakulären Korruptionsaffäre im Gesundheitswesen (gefälschte Ausschreibungen und Zuschanzen von Posten aus politischer Gefälligkeit) unter Hausarrest gestellt und von seinem Amt als Regionspräsident suspendiert. Ende Januar 2019, zwei Monate vor der Regionalwahl, trat er von diesem Amt auch förmlich zurück – und mischte dennoch weiter kräftig mit. Da er selbst keine Chance mehr zu einer Spitzenkandidatur hatte, setzte er innerhalb des Mittelinks-Bündnisses hierfür den unbekannten – aber ihm ergebenen – Carlo Trerotola durch (dessen Vater ein Anhänger der ehemaligen neofaschistischen Partei MSI war, was in dem unten folgenden Interview eine Rolle spielt). Pittella selbst kandidierte für das Regionalparlament und wurde auch gewählt.
Die Staatsanwaltschaft beschreibt den ehemaligen PD-Regionspräsidenten als „deus ex machina“ eines weit verzweigten Systems von Klientelismus, Korruption und „institutionellem Missbrauch“, in dem Politiker und Amtsträger mit Stellen, Finanzierungen und gegenseitigen „Gefälligkeiten“ handelten und damit ihre Macht und Einflussbereiche ausbauten. Dass die PD, die nach der Wahl ihres neuen Generalsekretärs Zingaretti feierlich ihre „Erneuerung“ ankündigte, nicht in der Lage war, in der Basilikata einen Kandidaten zu finden,der glaubwürdiger ist als Pittellas Kumpel Trerotola, ist selbst schon ein Desaster. Wenn man sich dann diesen Herrn Trerotola noch etwas genauer anschaut, weiß man nicht, ob man laut lachen oder heulen soll. Wir übersetzen hier ein kurzes Interview, das er einen Tag nach der Wahl der „Repubblica“ gab. Es ist ausdruckskräftig genug.„Von diesen Dingen verstehe ich nichts“
Herr Doktor Trerotola, Sie waren Mittelinks-Kandidat für die Basilikata, wie lautet Ihre Analyse des Ergebnisses?
„Sehen Sie, von diesen Dingen verstehe ich nichts. Ich kann nicht beurteilen, ob es ein gutes oder schlechtes Ergebnis war, ich weiß es wirklich nicht. Ich bin Apotheker, das müssen mir die Experten sagen“.
Sie waren doch der Kandidat für das Amt des Regionspräsidenten
„Wir haben gespielt, um zu gewinnen. Leider haben wir verloren. Jetzt werde ich Opposition machen, mehr im Namen des gesunden Menschenverstandes als der Gesetze. Mehr kann ich wirklich nicht sagen.“
Ihr werdet doch eine Analyse gemacht haben?
„Neiiiiin! (Anmerkung des Interviewers: T. dehnt im italienischen No das „o“ lange aus). Wie sollte ich das denn machen. Zu irgendeiner Analyse fehlen mir die Fähigkeiten. Die machen die Analysten. Und ich warte auf das, was die mir sagen“.
Man sagt, Mittelinks habe sich selbst umgebracht, als sie einen ehemaligen Neofaschisten zum Kandidaten machten.
„Ich war nie Mitglied des MSI. Mein Vater war es. Ich ging mit ihm zu den Kundgebungen von Almirante („historischer Führer“ des MSI, Anm. MH) und schäme mich deshalb nicht. Ich bin sogar stolz darauf. Ich habe gelernt, dass es in der Politik Unterschiede gibt. Auf jeden Fall war diese Niederlage ehrenhaft, das müsst ihr schreiben“.
Bei den letzten Regionalwahlen hat Mittelinks fast 70 % (nach meiner Kenntnis waren es ca. 60%, Anm. MH) eingefahren, wie können Sie da von einer ehrenhaften Niederlage reden?
„Wir sind auf jeden Fall Zweiter geworden. Das scheint mir immer noch besser als Dritter“.
Doktor Trerotola, Sie machen sich über uns lustig.
„Das würde ich mir nie erlauben. Aber ich habe nichts anderes zu sagen, ich verstehe ja nichts von diesen Dingen, ich bin Apotheker“.
Haben Sie jetzt Kontakt zu einem Leader von Mittelinks gehabt, vielleicht zum Generalsekretär der PD, Zingaretti?
Ehrlich gesagt habe ich den ganzen Tag geschlafen. Jetzt bin ich ausgegangen, um mit einem Freund etwas essen zu gehen. Diese Monate waren sehr anstrengend für mich“.
Hat Sie Ihr Mentor Pittella, der ja auch in den Regionalrat einzieht, angerufen?
„Nein, auch er wird müde sein. Vielleicht sehe ich ihn in ein paar Stunden“.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Bleibt nur das Rätsel, wie es möglich war, dass Mittelinks mit diesem famosen Spitzenkandidaten immer noch 33% der Stimmen erhalten konnte.