Warum die 5-Sterne-Bewegung keine Partei ist
Vorbemerkung der Redaktion: Vor einer guten Woche geisterte die Nachricht durch die italienischen Medien, dass ab dem Jahre 2010 der (damals noch lebende) venezolanische Diktator Hugo Chavez der 5-Sterne-Bewegung mit dreieinhab Millionen Euro unter die Arme gegriffen habe, weil er sie für „revolutionär und extrem links“ hielt. Hätte sich diese Nachricht als wahr erwiesen, wäre es für die Grillini, die sich sowieso im Abstieg befinden, ein weiterer Schlag geworden – nicht nur, weil sie dann diese Unterstützung illegalerweise nicht deklariert hätten, sondern auch, weil sie der Heuchelei überführt wären (ihren Aufstieg verdankten sie gerade auch dem Versprechen, dem Establishment, das sie insgesamt für korrupt erklärten, mit „Sauberkeit“ entgegenzutreten). Zuletzt ist allerdings der Zweifel gewachsen, ob hier die Medien nicht einer Falschmeldung aufgesessen sind. Der Politologe Carlo Galli veröffentlichte am 17. Juni in der „Repubblica“ einen Artikel über die 5-Sterne-Bewegung, als diese Frage noch ungeklärt war. Obwohl sich auch Galli damals diesem Zweifel anschloss, hatte sein Artikel eine andere Stoßrichtung, die ihn auch für unsere Leser interessant machen könnte: Galli vertritt hier die These, dass die Ursache der Krise der 5-Sterne-Bewegung vor allem interne politische Ursachen hat, die er dann auch zu benennen versucht.
„Wenn es wahr wäre, dass die 5SB seit 2010 illegale Gelder aus dem Ausland annahm, während sie auf den Plätzen ‚Ehrlichkeit‘ schrie, wäre dies für viele mit einer großen Desillusionierung verbunden. Und vielleicht der Grabstein für ein ganzes politisches Projekt … Aber auch wenn es die angeblichen Unterstützungsgelder gegeben haben sollte, würde es nur eine Kritik legitimieren und bekräftigen, die sich nicht im Dunstkreis von Justiz und Spionage bewegt, sondern offen und unverblümt politisch ist. Der Punkt ist, dass der Partei, die im Parlament über die meisten Abgeordneten verfügt, sowohl die politische Fähigkeit als auch die politische Linie fehlt, weil sie keine politische Kultur hat. Es ist wahr, dass dies nicht nur für sie gilt, aber auch, dass sie hier das größte Defizit aufweist.
Die 5SB entstand als Jakobinismus ohne Aufklärung, als Radikalismus ohne Wurzeln, wie eine DC (Democrazia Cristiana, A.d.R.) ohne Volksnähe, ohne Verwaltungsleute und staatliche Funktionsträger: als Partei, die einst aus dem Protest geboren wurde, der in vieler Hinsicht trotz seiner Oberflächlichkeit und Emotionalität berechtigt war, deren heutige Existenzberechtigung aber nur noch die sofortige Eroberung der Macht ist, da sie Angst vor der eigenen Zukunftslosigkeit hat, und bei der das hartnäckige Festklammern am Parlament an die Stelle ihren einstigen Antiparlamentarismus getreten ist. In Wahrheit ist die 5SB keine Partei: Ihr fehlen dazu Organisation und Ideologie, oder noch schlichter eine politische Linie, und sie ist nicht einmal mehr eine Bewegung: Denn die Beziehung zur Gesellschaft ist verloren gegangen, der Gleichklang mit dem Volk nur noch Erinnerung.
Viele haben seinerzeit der 5SB einen Kredit eingeräumt, als sie das Parlament füllte – zum Glück ohne es zu schaffen, es ‚wie eine Thunfischdose aufzurollen‘ (so die anfänglich erklärte Absicht, A.d.R.) -; sie werden lernen, sie werden sich krummlegen; die Verantwortung, sagte man, die mit der Macht kommt, hat eine große didaktische Wirkung. Es fällt allerdings schwer, die politische Linie eines Wesens zu verstehen, das erst mit der Rechten und dann mit der Linken regiert und in beiden Fällen kaum Spuren hinterlässt (das ‚Bürgergeld‘ ist da noch die eindrucksvollste Hinterlassenschaft); und das – weil es nicht weiß, was es machen soll – möglichst wenig zu tun versucht. Und das deshalb eine Ursache – nicht die einzige – für die Schwäche jeder Regierung wird, an der es sich beteiligt.
So lange die Pandemie alle Energien der Exekutive absorbierte – indem sie sie gewissermaßen eingipste -, war das weniger sichtbar. Jetzt aber werden die Probleme der 5SB zu einem weiteren Faktor der Blockierung und der Fragilität des politischen Rahmens. Der stattdessen sowohl zur Analyse wie zu den Entscheidungen viel Energie bräuchte.
Die Krise der 5-Sterne-Bewegung ist verständlich, und die Neuigkeiten der letzten Tage haben ihre Ursache vielleicht in einem internen Krieg zwischen Di Maio, Grillo, Casaleggio, Di Battista und ihren jeweiligen Seilschaften, in den sich auch externe Akteure einmischen. Aber bei allem Verständnis ist dafür keine Lösung in Sicht: Zu den großen politischen und organisatorischen Entscheidungen, die an dieser Stelle nötig wären, scheint niemand fähig zu sein. Andererseits steckt auch in der Untätigkeit und in der Tendenz, nur den Positionsvorteil der eigenen parlamentarischen Stärke auszureizen, Notwendigkeit: Die Bewegung müsste sich bewegen, aber sie kann es nicht, denn damit würde sie riskieren, auseinanderzubrechen und unterzugehen. Hier wird demonstriert, dass es der Populismus zwar manchmal schafft, an die Macht zu kommen, aber dass er sie für kein politisches Projekt nutzen kann. Hier liegt das Problem der 5SB, nicht in Venezuela.“