Sardinien-Wahl: „Der Wind dreht“

Alessandra Todde (5-Sternebewegung), die gemeinsame Kandidatin von PD, 5Sternen und AVS (Alleanza Verdi/Sinistra), ist die neue Regionspräsidentin von Sardinien. Am 25. Februar, nach einem langen nächtlichen Kopf an Kopf-Rennen, siegte Todde mit 45,4% gegen den Kandidaten der Rechten, Paolo Truzzo von Fratelli d’Italia, der auf 45,0% kam. Ein denkbar knapper Sieg, aber von großer politischer Bedeutung. Nicht nur, weil es Mittelinks nach fast zehn Jahren wieder einmal gelang, sich bei einer Regionalwahl gegen die Rechte durchzusetzen. Sondern vor allem auch, weil Ministerpräsidentin Meloni in Sardinien die erste schmerzhafte politische Schlappe nach ihrer Wahl im Oktober 2022 kassieren musste.

Herbe Schlappe für Meloni

Die Schlappe Melonis ist umso schmerzhafter, weil sie es war, die ihren Vertrauten Truzzu mit brachialer Macht als Kandidaten der Rechtskoalition durchsetzte und den amtierenden Gouverneur von der Lega aus dem Weg räumte – gegen den erbitterten Widerstand von Salvini, Chef der Lega und Vizepremier ihrer Regierung. Insofern ist Truzzus Niederlage auch ihre persönliche Niederlage. Da nutzte es wenig, dass Truzzu am Tag danach demonstrativ Asche aufs eigene Haupt streute („Die Leute haben gegen mich gewählt, es ist allein meine Schuld“) und beteuerte, die nationale Politik habe dabei keine Rolle gespielt. Eine peinlich devote Geste, die nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es Melonis Entscheidung war, den unbeliebten Truzzu (ausgerechnet in der regionalen Hauptstadt Cagliari, wo er seit 2019 Bürgermeister ist, bekam er fast 20% weniger Stimmen als Todde) ins Rennen zu schicken.

Das Bündnis PD-5Sterne hat funktioniert

Es gibt noch einen weiteren, nicht minder wichtigen Aspekt, der den sardischen Regionalwahlen auch überregional politische Relevanz verleiht: Sie haben gezeigt, dass ein gemeinsames Vorgehen gegen die vereinte Rechte Früchte trägt. Zwar wusste es jeder, der es wissen wollte, schon vorher – aber der Sieg von Alessandra Todde ist keine theoretische Option mehr, sondern das Ergebnis konkreter politischer Praxis und Realität. Das von der PD seit langem angestrebte „breite Bündnis“, über das Conte sich immer wieder süffisant äußert, hat auf Sardinien funktioniert. Dass es so knapp ausging, hing vor allem damit zusammen, dass der ehemalige PD-Mann und Regionspräsident Renato Soru mit einer eigenen Liste Todde Konkurrenz machte. Mit seinen 8% kam er nicht einmal ins Regionalparlament (die Hürde liegt dort bei 10%) und verschenkte damit etliche Stimmen, die sonst vor allem an Todde gegangen wären.

Hat Conte die Lektion gelernt?

Die sardische Allianz hat also das Ziel erreicht. Und diesmal hat sich Conte auf ein Bündnis mit PD und Verdi/Sinistra ohne Wenn und Aber eingelassen. Aber warum? Ist Conti auf einmal doch überzeugt, dass eine strategische Allianz mit der PD alternativlos ist, um gegen die vereinigte Rechte zu siegen? Wohl kaum. Der Grund dürfte eher sein, dass die Spitzenkandidatin der Koalition seiner 5-Sternebewegung angehört – und nicht der PD. Mit ihr konnte bzw. kann sich Conte schmücken und war daher bereit, in diesem Fall der PD-Generalsekretärin großzügig die Hand zu reichen.

Daraus abzuleiten, dass er nun seine Haltung grundsätzlich überdenkt, in der PD vor allem einen Konkurrenten und nicht einen Verbündeten zu sehen, wäre also verfehlt. Denn das Verhalten des 5Sterne-Leaders und seiner Partei richtet sich nicht nach einem politischen Kompass, sondern ist rein taktisch bestimmt: Sie können sowohl in einer Koalition mit Salvini einen rechtsextremen Kurs fahren (s. die Regierung „Conte 1“ von Juni 2018 bis August 2019), als auch gemeinsam mit der PD eine progressive Mittelinks-Politik betreiben (s. „Conte 2“ von September 2019 bis Februar 2021). Das macht sie gewissermaßen „chronisch unzuverlässig“. Ein Problem, dass nach Meinung von Romano Prodi – der mit seinem „Uliven-Bündnis“ seinerzeit einen Wahlsieg gegen Berlusconi erreichte – die Bildung einer Alternative gegen die Rechte blockieren kann. Contes Ziel sei es, selbst die Leadership des alternativen Bündnisses zu übernehmen, erklärte Prodi im Fernsehen. „Deswegen will er sich zurzeit nicht entscheiden, er möchte es erst tun, wenn seine eigene Partei vorne liegt, doch das wäre politisch fatal“.

Skepsis ist also angebracht. Dennoch ist es möglich, das der Erfolg in Sardinien, an dem die PD entscheidenden Anteil hatte, bei der 5SB und deren Chef den Druck erhöht, sich doch auf eine dauerhafte Kooperation einzulassen.

Sardinien-Wahl hat Schlein gestärkt

Welche Hürde Contes unverbindliches Taktieren für den Aufbau einer Mittelinks-Allianz darstellt, ist der PD-Generalsekretärin Elly Schlein sehr bewusst. Klugerweise reagiert sie darauf souverän und lässt sich nicht auf polemische Schlagabtausche ein. Sie begründet und betont vielmehr die Notwendigkeit, statt auf die Differenzen, auf die politischen Konvergenzen zu setzen.

So war es auch im Fall der Regionalwahl in Sardinien. Sie und ihre Partei unterstützten von Anfang an kräftig und vorbehaltlos die Spitzenkandidatin Todde von den 5Sternen, ohne – als stärkste Partei innerhalb der Allianz – den Anspruch auf einen eigenen Kandidaten bzw. eine eigene Kandidatin zu erheben. Und als es Conte nach der Wahl für nötig hielt, zu unterstreichen, die Sardinien-Allianz sei kein Präzedenzfall und bei anderen Regionalwahlen könne sich die 5SB anders entscheiden, blieb die PD-Chefin gelassen. „Von Sardinien ist ein Posaunenstoß ausgegangen, der der gesamten Gemeinschaft progressiver Kräfte gut tut. Der Wind dreht. Eine Alternative zur Rechten ist möglich, die Richtung stimmt. Das hartnäckige Festhalten an der Einheit zahlt sich aus, und wir werden auch angesichts der noch kommenden Herausforderungen (den anstehenden Wahlen in anderen Regionen, MH) hartnäckig bleiben“.

Dass Schleins Kurs bei der Sardinien-Wahl richtig war, zeigt sich auch daran, dass die PD unter den antretenden Parteilisten an erster Stelle steht – weit vor den 5Sternen und sogar vor Melonis Fratelli d’ Italia. Aus den aktuellen Umfragen auf nationaler Ebene kann man erkennen, dass es auch dort Verschiebungen gibt: FdI 28% (-0,5), PD 20,8% (+1), 5SB 17% (+1,2), Lega 7,6% (-1,5), Forza Italia 7% (-0,5).

Ein – wenn auch nur leichter – positiver Trend. Ob er reicht, dass auch bei der 5SB die Bereitschaft wächst, über die Schließung punktueller Bündnisse hinaus Schritte in Richtung einer „strategischen Allianz“ auf nationaler Ebene zu gehen, bleibt abzuwarten. Vieles hängt vom Ausgang der nächsten Herausforderungen ab, von denen Elly Schlein sprach. Die erste steht vor der Tür.

Die nächste Etappe: Regionalwahl in den Abruzzen

Schon am kommenden Sonntag, dem 10. März, findet die Regionalwahl in den Abruzzen statt. „Melonis Region“, in der sich ihr Wahlkreis L’Aquila-Teramo befindet und wo der seit fünf Jahren regierende Regionspräsident ebenfalls ein „Meloni-Mann“ ist. Marco Marsilio von Fratelli’Italia kommt nicht aus den Abruzzen, sondern aus Rom. Er hat dort noch seinen Wohnsitz und pendelt mit dem Dienstwagen dorthin, so häufig es geht. In den fünf Jahren seiner Amtsausführung hat sich die Lage in der schon immer vernachlässigten Region nicht verbessert. Der Wiederaufbau von L’Aquila nach dem Erdbeben von 2009 stagniert, viele junge Menschen wandern aus, das öffentliche Gesundheitswesen ist ein Desaster und die Verkehrsverbindungen ebenfalls. Zwischen der Regionshauptstadt und Rom gibt es immer noch keine Direktverbindung und für die 100 km zwischen L’Aquila und Pescara braucht der Zug mehr als drei Stunden.

Dennoch gilt die Region als Domäne der Rechten, genauer von Melonis Partei, in der viele führende Vertreter aus den Abruzzen stammen. Daher galten bis vor kurzem Marsilios Wiederwahl und eine klare Mehrheit für FdI als sicher. Das hat sich inzwischen geändert, dank dem „frischen Wind“ aus Sardinien und dem Wunder, dass dort in den Abruzzen alle Oppositionsparteien ein gemeinsames Bündnis geschlossen haben. Der gemeinsame Spitzenkandidat, der das Wunder möglich machte, ist Luciano D’Amico. Bauernsohn, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Rektor der Universität Teramo. Er wird nicht nur – wie im Fall von Todde – von PD, 5Sternen und Verdi/Sinistra unterstützt, sondern auch von den „Zentristen“ um Calenda und Renzi (sowie von verschiedenen Bürgerlisten). D’Amico, der keiner Partei angehört, definiert sich selbst als „unabhängig und links“: „Ich bin ein Linker und trete mit meinem Programm als solcher an, weil ich an dem Gemeinplatz, dass Links und Rechts das Gleiche sind, nicht glaube. Der Unterschied gibt es wohl und er ist wesentlich. Und er ist zu aller erst erkennbar bei Fragen von sozialer Gerechtigkeit, Solidarität, Gleichstellung“.

Ob es der breiten Allianz für D’Amico gelingt, Meloni in den Abruzzen eine zweite, noch heftigere Niederlage beizubringen, ist nicht sicher. Die Ministerpräsidentin jedenfalls zeigt eine gewisse Nervosität und hält es für nötig, dort viel häufiger präsent zu sein als auf Sardinien, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Gleiches gilt für das Bündnis, das D’Amico unterstützt: Auch da geben sich Schlein, Conte, Fratoianni, Calenda, Renzi und „tutti quanti“ di Klinke in die Hand. Denn alle wissen: Viel wird von der Wahlbeteiligung abhängen.