Meloni plant brisanten Deal mit Musk
Überraschender Blitzbesuch der italienischen Ministerpräsidentin in Trumps Privatresidenz Mar-a-Lago in Florida. Deutlich schneller als wir in unserem Blog prognostizierten, erwies Giorgia Meloni bereits am Abend des 4. Januar dem gewählten US-Präsidenten ihre Reverenz, noch vor seiner offiziellen Amtsübernahme. Trump wusste es zu schätzen: „Ich bin hier mit einer phantastischen Frau, der italienischen Ministerpräsidentin. Sie hat Europa in Sturm erobert und alle anderen auch“. Meloni wurde die zweifelhafte Ehre erteilt, vor dem gemeinsamen Abendessen mit Trump der Vorführung des Films „Eastmann Dilemma“ beizuwohnen, der die bekannten fake news über die angeblichen Fälschungen bei der Präsidentenwahl 2020 zelebriert.
Nach Ansicht der Medien sollte der Blitzbesuch von Meloni – er dauerte nur etwa vier Stunden – vor allem dazu dienen, ihre Rolle als Referenzperson von Trump in Europa zu stärken. Einiges spricht aber dafür, dass sie das Treffen auch für zwei konkrete Ziele nutzte. 1) Bei der Frage der im Iran inhaftierten Journalistin Cecila Sala voranzukommen. Der Iran soll sie als Druckmittel benutzt haben, um die Auslieferung des in Italien festgenommenen Iraners Mohammad Abedini an die USA zu verhindern, den diese beschuldigen, mit militärischen Drohnen illegale Geschäfte für terroristische Zwecke gemacht zu haben. Am 8. Januar, vier Tage nach Melonis Besuch bei Trump, wurde Sala freigelassen und kehrte nach Italien zurück. Und am 12. Januar wurde in Italien auch Abedini freigelassen. Das Tauschgeschäft zwischen Italien und dem Iran war vollzogen. 2) Das zweite Anliegen Melonis soll nach Berichten mehrerer Medien – u. a. Bloomberg, der weltweit führenden Nachrichtenagentur für Geschäfts- und Finanz-Nachrichten – soll es gewesen sein, Fortschritte bei den Verhandlungen der italienischen Regierung mit dem von Elon Musk geführten Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen SpaceX zu erzielen.
Starlink soll auch Streitkräfte und sicherheitsrelevante Bereiche bedienen
Es geht dabei um den Abschluss eines fünfjährigen Vertrages zwischen der italienischen Regierung und SpaceX. Nach Angaben von Bloomberg sieht er einen 1,5 Milliarden teuren Auftrag vor, um mit Musks Satellitenkommunikationssystem (Starlink) landesweit, auch in abgelegenen Gebieten, schnelle Internetverbindungen zu garantieren. Und darüber hinaus – besonders brisant – „auch Kommunikationssysteme für die italienischen Streitkräfte im Mittelmeerraum sowie die Einführung sogenannter Satellitendienste ‚direct-to-cell‘ zur Verfügung zu stellen, die in Notsituationen wie terroristischen Anschlägen oder Naturkatastrophen einsetzbar sind“.
Bei der Vereinbarung, über die schon seit ca. Mitte 2023 zwischen Musk und der italienischen Regierung verhandelt wird, geht es also um mehr als nur ein wirtschaftliches Geschäft. Das Vorhaben hat strategische Bedeutung, und zwar in doppelter Hinsicht. Einerseits, weil der weltweit stärkste Privatunternehmer (und demnächst Sonderberater des US-Präsidenten) damit den digitalen Zugriff auf die für die nationale Sicherheit Italiens sensibelsten Kommunikationsbereiche bekommt: die des Militärs, der Geheimdienste, der Diplomatie, des Naturschutzes und der Terrorbekämpfung. Und außerdem, weil Musk einen solchen wirtschaftlich und strategisch wichtigen Vertrag erstmalig mit einem Land abschließen würde, das Gründungsmitglied der Europäischen Union ist. Er würde damit nicht nur seinen Einfluss in Italien erhöhen, sondern auch zum direkten Konkurrenten des europäischen Projekts Iris2 werden, einem Netz von 290 Satelliten für die gesamte EU, das noch in der Planungsphase (und zudem mit 10 Milliarden viel teurer) ist.
Kritik der Opposition …
Nach der Veröffentlichung der Nachrichten über den geplanten SpaceX-Deal forderte die italienische Opposition, die Ministerpräsidentin müsse darüber umgehend im Parlament berichten und sich den Fragen der Abgeordneten stellen. Elly Schlein (PD) erklärte, es sei nicht akzeptabel, dass die Regierung – ohne Einbeziehung des Parlaments – Verhandlungen mit einem Privatunternehmer und Multimilliardär führe, um einen mit öffentlichen Geldern finanzierten Vertrag abzuschließen, der Risiken für die innere Sicherheit des Landes mit sich bringt. „Und dann nennen sie sich auch noch ‚Souveränisten‘“, so Schleins ironischer Kommentar.
Ähnlich äußerten sich Giuseppe Conte, der Leader der 5Sterne, die Sprecher der Allianz Grüne/Linke Bonelli und Fratoianni sowie Renzi und Calenda von den Zentrumsparteien.
… und Melonis angebliches Dementi
Die Regierung reagierte auf die Kritik – übrigens nicht nur der Oppositionsparteien, sondern auch von italienischen Medien und von Experten – mit einem Kommuniqué. Dort heißt es, es seien keine Verträge zwischen der italienischen Regierung und SpaceX „geschlossen und unterschrieben“ worden, es gäbe vielmehr „lediglich einen Austausch in Form normaler vertiefender Gespräche, die von staatlichen Instanzen mit Unternehmen geführt werden, in diesem Fall mit einem, das sich mit sicheren digitalen Verbindungen und Kommunikationssystemen beschäftigt“.
Das ist kein Dementi, sondern eine Bestätigung. Denn in den von internationalen und italienischen Medien veröffentlichten Nachrichten war nie die Rede von einem bereits „beschlossenen und unterschriebenen Vertrag“, sondern eben von konkreten („vertiefenden“) Verhandlungen, was nun im offiziellen Kommuniqué eingeräumt wird.
Noch expliziter war die Bestätigung vom Legachef und Vizepremier Salvini (passender Weise auf X): Musk sei „auf Weltebene ein Protagonist von Innovation“ und ein „Vertrag mit ihm, um in Italien Kommunikation und Modernität zu garantieren, ist keine Gefahr, sondern eine Chance. Ich vertraue darauf, dass die Regierung in dieser Richtung Tempo macht, denn den Bürgern bessere Dienstleistungen anzubieten ist eine Pflicht“. Die freudige Antwort von Musk kam postwendend: „Ein Vertrag zwischen Italien und SpaceX wird phantastisch sein. Andere Länder in Europa werden ihn ebenfalls übernehmen“.
Staatspräsident und Außenminister skeptisch
Anders als Salvini, dem eingefleischter Fan von Trump und Musk, zeigt Außenminister Tajani, der Leader von Forza Italia und dritten Partners im Regierungsbündnis, eine gewisse Skepsis gegenüber dem Projekt. In einer parteiinternen Sitzung soll er zu großer Vorsicht geraten haben, da schließlich hochsensible Bereiche – u. a. diplomatische Beziehungen, die in seine Zuständigkeit als Außenminister fallen – mitbetroffen würden.
Erst recht skeptisch ist Staatspräsident Mattarella, der aber in dieser Phase öffentliche Stellungnahmen vermeidet und es vorzieht, die Entwicklungen aufmerksam zu beobachten (seine Fachleute im Quirinal beschäftigen sich schon länger mit dem Thema).
Auch Experten von neuen digitalen Medien warnen vor möglichen negativen Auswirkungen eines Vertrages mit Musk. U. a. Evgenij Morozov, der Bestsellerautor und Publizist (der regelmäßig für die FAZ, die New York Times, das Wall Street Journal, den Economist und den Guardian schreibt) und einer der weltweit renommiertesten Theoretiker der digitalen Sphäre ist. In einem Interview mit der „Repubblica“ unterstreicht auch er die Risiken eines solchen Deals. Gewiss biete er finanzielle Vorteile und neue technologische Möglichkeiten, könnte aber gleichzeitig der Autonomie Italiens (und der anderen europäischen Länder) schaden und politische Abhängigkeiten schaffen, die auch angesichts der rechtsextremen Positionen von Musk gefährlich seien. Schon jetzt versuche Musk, mit X massiven Einfluss auf die Politik in europäischen Ländern auszuüben.
Bedenken und Warnungen, die offensichtlich an der Ministerpräsidentin abprallen. In ihrer Pressekonferenz zum Jahresbeginn bekräftigte sie, dass Musk keinerlei Gefahr für die Demokratie darstelle. Anders als George Soros, fügte sie hinzu (bekanntlich sehen Rechtsextreme und Antisemiten Soros als weltweiten Strippenzieher aller möglicher Verschwörungen, u. a. des sogenannten „ethnischen Austauschs“, an den auch Meloni glaubt). Das Problem – so Meloni weiter – scheine für die Kritiker von Musk eher darin zu bestehen, dass er „nicht links“ sei. Und im Übrigen „gibt es keine Alternative von öffentlicher Seite auf das Angebot von Starlink“. Was wohl auch begründen soll, dass (entgegen den rechtlichen Bestimmungen) offene Ausschreibungen erst gar nicht vorgesehen sind.
Damit klärt sich, wohin die Reise gehen soll. Und wo ist das „Dementi“?