Verabschiedung
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde,
Hartwig ist am 7. April gestorben. Er war lange krank und sein gesundheitlicher Zustand hatte sich immer weiter verschlechtert. Mehr darüber zu schreiben, schaffe ich nicht. Der Schmerz ist zu groß. Ihr werdet/Sie werden das sicher verstehen.
Der Blog „Aus Sorge um Italien“ erscheint seit 2009. Es war ein gemeinsames Projekt von Hartwig und mir (und in der Anfangsphase auch von Antonio Riccò, der dann die Aufgabe des „Webmasters“ unseres Blogs übernahm). Es war sozusagen ein „vierhändiges“ Werk, das ohne Hartwig einfach nicht mehr möglich ist. Daher wird der „ASUI-Blog“ hiermit eingestellt. Die Sorge um Italien bleibt (und wächst), so wie auch die Sorge um Deutschland, Europa und überhaupt um die Weltlage.
Euch/Ihnen möchte ich – und hier spreche ich auch in Hartwigs Namen – aufrichtig danken. Für Euer/Ihr Interesse, die Anregungen, die kritischen und die ermunternden Anmerkungen, das Weiterleiten an weitere Kreise potentieller Leserinnen/Leser.
Grazie!
Marcella Heine
Es folgen zwei Erinnerungen an Hartwig: von Gerd Weiberg und von Carl Wilhelm Macke, denen ich ebenfalls danke.
Zum Tod von Hartwig Heine
Eine Erinnerung – von Gerd Weiberg
2009 gründeten Hartwig und Marcella den Blog “Aus Sorge um Italien”. Bis dahin kannte ich die beiden eher flüchtig. Doch dann lernten wir uns besser kennen. Irgendwann zum Ende des Jahres rief mich Hartwig an und fragte, ob ich den ersten Aufruf im Blog „Aus Sorge um Italien“ unterzeichnen würde. Das war der Beginn einer wachsenden selbstverständlichen Freundschaft zwischen uns.
Hartwig, geboren 1937, war seit Anfang der 1960er Jahre politisch aktiv. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Die Nähe zu Gewerkschaften und Arbeitern war für ihn konstitutiv. Und dann 1968, er war schon 31 Jahre alt, also eher ein Vorachtundsechziger, aber auch ein Achtundsechziger. “Trau keinem über 30”. Aber ihm konnte man trauen.
Hartwig und Marcella. Sie fanden sich früh. Sie lernten sich im Sommer 1968 kennen, auf Stromboli. In Deutschland war die strahlende Zeit der Jugend- und Studentenrevolte fast schon vorbei. Die Notstandsgesetze waren verabschiedet. Der Kampf dagegen hatte die Studenten für eine kurze Zeit mit Teilen der Arbeiterschaft und der Gewerkschaften zusammengebracht. 1970 kam Marcella nach Deutschland, und ihr gemeinsames Leben und ihre gemeinsame politische Arbeit begann. Italien wird wichtig, vielleicht bestimmend für Hartwigs weiteres Leben.
Aber wichtig ist auch und bleibt die Unterstützung von Flüchtlingen. So gründeten die beiden 1993 zusammen mit anderen die Initiative “Brücken nach Bosnien”, die zwanzig Jahre aktiv war. Sie nahm vertriebene Familien in Hannover auf und unterstützte Kriegswaisen in Mostar.
Ein Beitrag in dem Blog hat mich besonders beeindruckt. Hartwig, entschieden in seiner Haltung, immer nachdenklich, seine eigenen Meinungen hinterfragend, berichtet von einem Freund, einem Linken (Hartwig selber fragt vorsichtig, „ehemaliger Linker?“), der Gemüse anbaut und sich über den Streik der illegalen Flüchtlinge, die für einen Stundenlohn um die drei Euro herum dort arbeiten, erregt und sie aussperren will. Der Beitrag endet so:
„Die Feststellung ist nur noch Nostalgie: dass es einmal eine linke Bewegung gab, die sowohl den Kampf für die soziale Emanzipation im eigenen Land als auch den globalen Kampf für die Menschenrechte zusammenhielt. In Europa erreichte diese Linke den Wohlfahrtsstaat – dass er nur in den nationalen Grenzen funktioniert, war unausweichlich, aber enthielt auch einen Keim zur Spaltung. So dass ´soziale Solidarität´ heute auch zum Kampfruf derer werden kann, die sich gegen alles abschotten wollen, was von außen kommt. Es wird nicht leicht sein, hier wieder eine Brücke zu bauen. Aber zumindest die Debatte muss darüber beginnen.“
Das ist Hartwig, voller Empathie für die Schwachen, die Flüchtlinge unterstützend. Mit einem klaren durch keine Ideologie verstellten Realitätssinn.
Das Suchen in Ruinen – von Carl Wilhelm Macke (München-Ferrara)
Es ist schwer geworden, sich heute in dem post-katholischen und post-kommunistischen Italien zu orientieren. Da ist man als vielfach desillusionierter, aber vielleicht auch befreiend ernüchterter Intellektueller auf das Wissen von Anderen, Italien durch Herkunft, Sprach- und Landkenntnis besser vertrauten Menschen und ‚Experten’ angewiesen, um sich im Alltag und in der Politik einigermaßen zurechtzufinden.
Der in der Hochzeit des ‚Berlusconismus’ von Hartwig Heine, seiner Frau Marcella und anderen Freunden aus Hannover gestartete Internet-Blog „Aus Sorge um Italien“ ist mir da seit seinen ersten Ausgaben ein verlässlicher Führer, um mich in den dunkelsten Winkeln der italienischen Gegenwart nicht rettungslos zu verlaufen. Der italophile deutsche Soziologe Hartwig wie seine seit Jahrzehnten in Deutschland lebende, aus Rom stammende Frau Marcella, sorgen sich in ihren Kommentaren nicht um das Italien der Postkartenmotive und der Bella-Italia-Sehnsucht deutscher Touristen. Es geht ihnen vielmehr um ein Italien, dessen demokratischen, zivilen, republikanischen Traditionen wir in allen europäischen Ländern viel verdanken. Der Philosoph Norberto Bobbio, der Verfassungsjurist Piero Calamandrei (einer der Autoren der antifaschistischen italienischen Verfassung), der in Italien so beliebte Staatspräsident und Resistenza-Kämpfer Sandro Pertini, David Maria Sassoli, der ehemalige Präsident des italienischen Parlaments seien hier nur stellvertretend für die ‚anständigen Leute’ genannt an die Italo Calvino einmal erinnert hat. „Wenn man es am wenigsten erwartet,“ schrieb er einmal, „entdeckt man, dass Italien auch voll anständiger Leute ist“. Und wenn dieser Anstand und die ihn leitenden Traditionen zerstört werden – und leider gibt es dafür viele Anzeichen, weiß Gott nicht nur in Italien – dann wird damit auch ein Traum von Europa in Scherben geschlagen, für den wir bislang noch keine Alternativen sehen. Mit ihren Beiträgen im Online-Blog „Aus Sorge um Italien“ kämpfen Hartwig und Marcella Heine unermüdlich, oft auch verzweifelt für ein anderes, weltoffeneres im besten Sinne ‚neues Italien’ jenseits der alten politischen Kirchen, der Festungsgräben zwischen den verfeindeten linken Lagern und in der letzten Zeit vor allem jenseits des extremen Populismus der ‚Lega Salvini‘ oder der opportunistisch ihre faschistische Tiefenprägung verleugnenden ‚Fratelli d’Italia‘. Sich da in den unentwegten Scharmützeln, Kampagnen und TV-Streitereien zurechtzufinden, ist nicht einfach. Da bedarf es schon Beobachtern und Kommentatoren wie Hartwig und Marcella Heine, um sich einigermaßen zu orientieren. Und um zu lernen, dass es neben den extrem rechten Populisten, den Repräsentanten des ‚dunklen Staats’ und dubiosen Figuren der mafiosen Netze innerhalb und außerhalb der legalen Gesellschaft in Italien immer auch so viele anständige, zivile, hilfsbereite und kluge Menschen gibt, die die ‚Sorge um Italien’ teilen, sind die Expertisen der ‚Heines aus Hannover’ so wichtig.
Hartwig und Marcella Heine sorgen sich sehr und immer mehr um Italien, aber so ganz haben sie ihr Vertrauen auf das ‚bessere Italien’ noch nicht aufgegeben. „Pensammo una torre. Scavammo nella polvere“. Dieser Vers aus einem Gedicht des legendären kommunistischen Politikers Pietro Ingrao, passt vielleicht gut zu dem Internet-Blog „Aus Sorge um Italien“. Ein Vers voller Verzweiflung über die vielleicht niemals zu erreichende Vollendung eines Turmes, eines demokratischen und zivilen und gerechten Gesellschaftsprojekts. Aber auch das Wissen darum, dass es einmal diesen Traum von einem Turm gab, von dem heute nur noch Ruinen und Staub existieren, war vielleicht immer so etwas wie ein ‚basso continuo‘ in den vielen Kommentaren des seit vielen Jahren fast wöchentlich publizierten Newslettern ‚Aus Sorge um Italien‘.
Jetzt ist Hartwig Heine gestorben und damit, so die traurige Nachricht von Marcella Heine, wird es diesen so wichtigen und lehrreichen Internet-Dienst ‚Aus Sorge um Italien‘ nicht mehr geben. Die Leserinnen und Leser ihrer Zusendungen müssen jetzt ohne die mit großer Verlässlichkeit jahrelang produzierten Beobachtungen über die italienische Gegenwartsgesellschaft – via Hannover – versuchen, sich einen eigenes Urteil über die heutige gesellschaftliche und politische Realität in dem ’Sehnsuchtsland der Deutschen’ zu bilden. Grazie per tutto, Hartwig e Marcella…
Liebe Marcella,
wir verlieren einen alten, vielleicht meinen ältesten Freund und Weggefährten. Ich lernte Hartwig schon 1971 das erste mal kennen, als Organisator der Gewerkschaftsschulungen. danach trafen wir uns im Garten meiner Mutter, um über Maßnahmen gegen den Rausschmiss beim DGB zu beraten. Mehr als 30 WeggefährtInnen saßen im Gras, von denen viele nicht mehr unter uns sind. Über viele Etappen unseres Lebens hatten wir Berührungspunkte, unsere Hochzeit 1977, die gemeinsame Safari durch Zimbabwe 1984. Zuletzt trafen wir uns am Rande von „Aida“ im Februar letzten Jahres. Mit ihm gehen Erinnerungen über 3/4 meines Lebens. Wir drücken Dir die Hände. Ihr beide seit Fixsterne in unserem Leben.
Liebe Marcella,
in tiefer Trauer muss ich zur Kenntnis nehmen, dass Hartwig verstorben ist. Dir mein ganz besonderes, Mein aufrichtiges Beileid. Seit Anfang der 70er Jahre haben wir immer wieder enge und lockere Berührungspunkte gehabt. Ich wohnte damals in der WG mit Udo, Arno, Maja … am Lister Platz 2, einen Steinwurf von eurer WG in der Ferdi-Walli Nr. 10 entfernt. Man sah sich, so oft wir konnten. Ich habe mit Hartwig einige DGB-Schulungen (meist am Wochenende oder Bildungsurlaubsveranstaltungen) erleben dürfen. Wir waren in den frühen 70er Jahren gemeinsam in Rom, bei deinen Elterm, wir waren in Neapel, einige Male auf Stromboli, wo ich eine unvergeßliche Zeit erlebt habe, die heute noch ganz tief in meinem Herzen ihren festen Platz hat. Dafür bin ich euch in besonderem Maße dankbar.
Als wir uns vor gut 14 Tagen das letzte Mal auf dem Lindener Markt trafen, da sagtest du schon, dass es Hartwig nicht gut geht. Jetzt hat er dich/uns verlassen. Peters Bild von den Fixsternen kann ich nur unterstreichen. Liebe Marcella! Bimmel einfach mal bei mir an, wenn es dir möglich ist. Lass dich ganz dolle drücken. Und wenn ich dir in irgendeiner Art und Weise behilflich sein darf, so melde dich einfach. Herzlichst … Bürschi
Mein herzliches Beileid, sehr traurig.
Hast nicht in Erwägung gezogen den Blog weiter zu geben.
In großer Anteilnahme Jens-Peter Kettel, Roma
Liebe Marcella, mein ganz herzliches Beileid. Nun habe ich es doch zu lange auf die lange Bank geschoben, nach über 45 Jahren wieder einen Kontakt zu finden. Mit Hartwig geht das nun nicht mehr. Aber wenn du – vielleicht in ein paar Wochen oder Monaten dazu Lust und Interesse hast, melde dich bitte. Dir wünsche ich jetzt aber erstmal, mit dem großen Schmerz fertig zu werden. Un‘abbraccio. Ulrich