Wenn der Schwanz versucht, mit dem Hund zu wedeln

Der schönste Abgeordnete?

Der schönste Abgeordnete?

Ich gebe ja zu: Casini geht mir schon deshalb auf die Nerven, weil meine Frau ihn für den schönsten Mann des römischen Parlaments hält. Aber ich habe auch ein paar andere Gründe. Zum Beispiel seine Nähe zu den Kardinälen, mit deren Segen er in den Diensten von B. stand, bis er sich von ihm löste. Nun hängt er sich an Monti an, um damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: ein „Monti 2“ durchzusetzen und das Zentrum wiederauferstehen zu lassen. Gerade übermittelte er Bersani eine öffentliche Warnung: Nach Lage der Dinge könne dieser zwar im Parlament die Mehrheit bekommen. Aber da er Ministerpräsident nur werden könne, wenn er auch eine Mehrheit im Senat habe, solle er diese Hoffnung besser gleich aufgeben. Eine Warnung mit doppeltem Boden.

Die Schizophrenie des „Porcellum“: hü! im Parlament…

Denn obwohl B. wie ein angeschlagener Löwe von Fernsehauftritt zu Fernsehauftritt hetzt, um seine politische, geschäftliche und persönliche Haut zu retten, geben ihm die Umfragen für das Parlament keine wirkliche Chance. Noch immer liegt das Mittelinks-Bündnis eindeutig in Führung. Gegenwärtig können die Blöcke mit etwa folgenden Stimmanteilen rechnen: Bersani/Vendola 36, Berlusconi/Lega 28, Zentrum 15, Grillo 13 %. Da sich Grillo jedem Bündnis entzieht und das Zentrum eine Koalition mit B. ausschließt, nicht aber mit Bersani, wäre folgendes Verhalten „normal“: Jeder Block kämpft um den Sieg, aber wenn sich herausstellt, dass Italien nach der Wahl nur durch die Koalition zweier Blöcke regierbar ist, wird die Koalition von den Blöcken mit der größten „Schnittmenge“ gebildet, wobei der Block mit den meisten Stimmen den Ministerpräsidenten stellt. Zumal dieser Block beim vorerst noch geltenden Wahlgesetz („Porcellum“) im Parlament sogar die absolute Mehrheit bekäme. Ein Gesetz, das Casini 2005 mitbeschloss, als er noch zu Berlusconi gehörte, und das angeblich dem Zweck dient, die Regierbarkeit des Landes durch klare Mehrheiten zu sichern.

…hott! im Senat

Warum also Casinis Hinweis auf die fragliche Mehrheit im Senat? Hier kommt eine weitere Regelung des „Porcellum“ ins Spiel, welche die Regierbarkeit wieder in Frage stellt. Während es im Parlament dem Block, der auf nationaler Ebene die relativ meisten Stimmen erhält, mit der Mehrheitsprämie zur absoluten Mehrheit verhilft, vergibt es auch bei den Wahlen zum Senat Mehrheitsprämien, aber hier nur aufgrund der jeweiligen regionalen Mehrheit. Wenn es sich um eine einwohnerstarke Region handelt, die viele Vertreter in den Senat entsendet, hat dies zur Folge, dass regionale Besonderheiten die politischen Gewichte im Senat in eine andere Richtung verschieben können als im Parlament. So stehen beispielsweise der bevölkerungsreichen Lombardei 49 der insgesamt 315 Senatorensitze zu. Wenn dort, was gegenwärtig möglich erscheint, das Rechtsbündnis Berlusconi-Lega z. B. nur ein Zehntel Prozent mehr Stimmen erhält als Mittelinks, entsendet es mit der regionalen Mehrheitsprämie, die es kassiert, 27 Abgeordnete in den Senat, Mittelinks jedoch nur 12. Geschieht Ähnliches in zwei oder drei weiteren bevölkerungsreichen Regionen, kann es in der Summe die Mehrheitsverhältnisse, die im Parlament herrschen, im Senat auf den Kopf stellen. Womit Italien mit seinem „perfekten“ Zweikammer-System unregierbar würde. Denn jedes Gesetz muss zu seiner Gültigkeit sowohl das Parlament als auch den Senat passieren.

Doppeltes Spiel

Wenn Casini auf dieses Problem hinweist, hat er einerseits Recht. Aber wenn er damit auch Bersanis Präsidentschaftskandidatur in Frage stellt, unterschlägt er die Rolle, die er dabei selbst spielt. Beispiel Lombardei: Trotz eigener Chancenlosigkeit tritt hier das Zentrum zur Senatswahl mit einer Liste an. Da diese aber eher Mittelinks als der Rechten Stimmen entzieht, erhöht es die Chance des Lega-Berlusconi-Bündnises, eine relative Mehrheit und somit die Mehrheitsprämie zu erreichen. Damit wird Casinis Hinweis, Bersani brauche ja eine Mehrheit auch im Senat, doppelbödig. Denn obwohl die Zustimmungsquote für das Pro-Monti-Zentrum gegenwärtig nur bei 15 % liegt, versucht er damit Bersani unter Druck zu setzen: Wenn Ihr unser Ziel, Monti wieder zum Ministerpräsidenten zu machen, unterstützt, blieben Euch alle diese Probleme erspart. Wobei Casini sehenden Auges in Kauf nimmt, dass er auf diese Weise B. die Chance gibt, unter Nutzung des „Porcellum“ wieder zu regionalen Mehrheiten zu kommen.

Hier will nicht nur der Schwanz mit dem Hund wedeln. Sondern das Manöver ist auch nicht besonders sauber. Denn Casinis Frage an Bersani lässt sich umkehren, mit doppeltem Recht: Wenn Bersani nicht Ministerpräsident werden kann, weil ihm die Mehrheit im Senat fehlt – wie kann dann Monti Ministerpräsident werden, wenn ihm im Parlament sogar eine absolute Mehrheit von Mittelinks gegenübersteht? Casini setzt voraus, dass der Erpresste in diesem Fall über mehr Verantwortungsbewusstsein verfügt als der Erpresser. Seine Nähe zu den Kardinälen scheint weniger sein moralisches als sein Machtbewusstsein geschärft zu haben. Auch wenn er immer noch der schönste Mann des italienischen Parlaments ist.

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