Wenn Ihr mich wählt, gibt’s Bares
Für den gestrigen Sonntag kündigte er dem italienischen Volk ein „Schock-Versprechen“ (eine „Promessa Shock“) an, mit dem er dem Land eine totale Kursänderung und seinen politischen Gegnern den endgültigen K.O. bescheren werde. Schon seit Wochen bereitete er den Auftritt vor, indem er bei jeder Gelegenheit mit Zetteln herumwedelte, auf denen er angeblich seinen Vorschlag ausarbeitete. Und somit dem Volk die Chance gab, einen Zipfel genial arbeitender Inspiration zu erhaschen.
Der große Zampano
Der Sonntag kam, und somit auch die „Bombe“, die nun endlich platzen konnte: „Auf unserer ersten Sitzung des neuen Ministerrats (im Falle von B.s Wahlsieg, A. d. R.) werden wir die Rückerstattung der Imu beschließen. Das Geld wird den Familien zurückgezahlt werden, als Entschädigung für eine ungerechte Steuer… Die Erstattung erfolgt über das jeweilige Bankkonto oder das Geld kann in bar bei der Post abgeholt werden. Die Steuerzahler werden einen Brief vom Wirtschaftsminister, d. h. von mir bekommen – wenn mich Angelino Alfano (der dann Ministerpräsident sein soll, A. d. R.) mit diesem Amt betraut -, und zum ersten Mal werden sie sich über eine Mitteilung des Finanzamts freuen können“.
Zur Erklärung: Die Imu ist die Steuer auf Wohnungseigentum (auch die Erstwohnung), die die Regierung Monti im Dezember 2011 einführte, um den Haushalt aus den roten Zahlen zu bringen. Obwohl es diese Steuer in anderen europäischen Ländern – z. B. Deutschland – längst gibt, ist sie in Italien umstritten, weil sie dort besonders viele Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen trifft. Im Wahlkampf wird sie auch von links kritisiert, wenn auch nicht mit dem Ziel, sie wieder abzuschaffen, sondern um sie stärker an die Einkommenshöhe zu binden. B.s Vorschlag toppt diese Kritik doppelt: erstens durch das Versprechen, die Erstwohnungssteuer ersatzlos zu streichen, zweitens – und das ist der eigentliche Clou – durch die vollständige und sofortige Rückzahlung der 2012 gezahlten Imu, „bar auf die Hand“.
Der Vorschlag lautet also: Wenn Ihr mich wählt, weise ich das Finanzamt noch im Februar an, jedem von Euch sofort Hunderte, wenn nicht Tausende von Euro auszuzahlen. So ähnlich kauft die Mafia Stimmen, auch wenn sie meist nur kleinere Summen bietet. Woher das Geld kommen soll, das B. den Italienern zurückzahlen will? Ganz einfach: „Wir werden mit der Schweiz ein Abkommen schließen, um die finanziellen Aktivitäten, die dort italienische Staatsbürger betreiben, zu besteuern“. Daraus könnten dem Staat dann jährlich genau die 5 Mrd. € zufließen, die ihm durch Abschaffung der Imu verloren gehen. Um jedoch eine zügige Rückzahlung zu gewährleisten, könne man zwischenzeitlich auf die Bestände der Depositenkasse der Post zurückgreifen – B. hat alles bedacht.
Zur Pressekonferenz, auf der B. dies alles herausließ, hatte er seine Claque geladen, die dann auch prompt in hysterischen Jubel ausbrach. „Du bist ein Mythos“, schrie eine der Frauen – und schrie damit genau das, was B. nun von ganz Italien erwartet.
B.s Bild vom WählerIch will mich nicht lange bei B.s Unverfrorenheit aufhalten, einmal mehr eine sofortige Wohltat – die Zahlung von Geld – anzukündigen, deren Finanzierung in eine ungewisse Zukunft – ein Abkommen mit der Schweiz – verlagert wird. Und beim Gipfel der Unverschämtheit, den sein Vorschlag erreicht, wenn er „zur Überbrückungsfinanzierung“ zwischenzeitlich auf die Depositenkasse der italienischen Post zurückgreifen will, auf der viele Millionen Italiener ihre kleinen und mittleren Ersparnisse deponiert haben. Die jetzt um genau die Milliarden erleichtert werden soll, welche B.s neueste Wohltat kosten würde.
Aber das eigentlich Deprimierende ist das Bild, das B. offenbar von seinen Wählerinnen und Wählern hat:
- Sie sitzen bei der Wahl wie die Hunde vor der Fleischschüssel und schnappen nach der jeweils größten Wurst, die man ihnen vor die Nase hält;
- sie glauben an Wunder und fragen nach keinem Zusammenhang, weder nach dem, was dies für das Land und dessen Zukunft (oder gar für Europa) bedeuten würde, noch was sie morgen dafür (z. B. für den „Spread“ oder in Gestalt ihrer Ersparnisse) bezahlen müssen;
- ihr Erinnerungsvermögen ist Null, denn sie haben vergessen, dass B. ihnen bei jeder Wahl das Blaue vom Himmel herunter verspricht, ohne es je zu halten.
Der letzte Punkt ist vielleicht der pikanteste, denn B. versprach bisher bei jeder Wahl Steuersenkungen, um sie dann in Wahrheit zu erhöhen. Im Dezember 2011 hat er – mit der gesamten PdL-Fraktion, die damals noch die Monti-Regierung unterstützte – die Imu mitbeschlossen, die er nun für „ungerecht“ erklärt. Womit er für seine jetzt notwendige Wiederwahl einen erstaunlichen Grund findet: damit er den Menschen das Geld wieder in die Tasche stecken kann, das er ein Jahr zuvor aus ebendieser Tasche gezogen hat. Daraus ließe sich ein Perpetuum Mobile machen, und B.s ewige Wiederwahl wäre gesichert.
B.s eigentliche Zumutung bleibt jedoch sein zynisches Bild von der eigenen Klientel: Kretins und Pavlovsche Hunde, die Magensäure absondern, wenn B. auf die Klingel drückt. Wobei B. die einzige Rolle übernimmt, die er wirklich beherrscht: die des Verkäufers, der dem Kunden mit großem Brimborium alles aufschwatzen kann, auch den letzten Ramsch.
In vier Wochen werden wir wissen, wie viele Italiener beiderlei Geschlechts sich noch diesem Bild fügen. Es werden auf jeden Fall immer noch zu viele sein. Aber die Hoffnung tröstet, dass es für B.s Wiederwahl nicht genug sein werden. Und dass B. genau davor Angst hat.