Zwischen Europa und Peron

Die wichtigste Nachricht der vergangenen Woche ist der Bruch zwischen Silvio Berlusconi und Gianfranco Fini. B. hat Fini – samt Gefolge – aus der Partei geworfen. Ohne viel Federlesens, so wie es B. gefällt: mit einem schlichten Kommuniqué, dem das Präsidentenbüro zustimmte. Kaum 24 Stunden später antwortete Fini. Und hält hart dagegen. „Rausgeworfen? Die Partei der Freiheit weiß nicht, was Freiheit ist. Rücktritt vom Amt des Parlamentspräsidenten? Davon kann keine Rede sein!“

Der Bruch lag seit Monaten in der Luft und schien in den letzten Wochen unausweichlich geworden zu sein. Dass sich die Wege von Führungsleuten trennen, geschieht in allen Demokratien und allen Parteien; es ist nichts Besonderes. Aber Fini ist nicht irgendwer: Er ist einer der wichtigsten Mitgründer von B.s Unternehmenspartei und außerdem Parlamentspräsident, der dritte Mann im Staate. Das reicht eigentlich schon, um der Sache Bedeutung zu geben. Es sind auch die Gründe, die dem Bruch zugrunde liegen. Es sind nicht nur persönliche, sondern vor allem politische Gründe. Fini unterscheidet sich von B. in vier Punkten: Verhältnis zur Legalität, zu sozialer Gerechtigkeit, zur Vaterlandsliebe und zur nationalen Einheit. Hier geht es nicht um Details, sondern um fundamentale Unterschiede.

Fini repräsentiert eine europäische politische Rechte, welche die Regeln der Demokratie akzeptiert und nicht nur instrumentell benutzt. B. erträgt weder Regeln noch Kontrollen (seitens der Justiz, des Verfassungsgerichts, der eigenen Parteimitglieder) und möchte nach Gutdünken regieren können.

Fini fordert für die PdL innerparteiliche Demokratie, in Europa eine Selbstverständlichkeit. B.s Modell ist das Unternehmen, in dem der Boss allmächtig ist. Fini hat erkannt, dass B.s Bindung an die Lega und ihre Politik der Intoleranz, des Fremdenhasses und der Teilung Italiens ein Wahnsinn ist und das Land in eine traumatische Spaltung treibt. B. meint vielleicht, die Geister, die er aus der Flasche ließ, irgendwie unter Kontrolle halten zu können.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Fini ist keine Wetterfahne wie viele andere Chamäleons der italienischen Politik. Er ist nicht mehr der Erbe Giorgio Almirantes, des historischen Parteisekretärs der Neofaschisten in der Nachkriegszeit, wie Bersani nicht der Erbe Togliattis ist. Die Zeiten ändern sich, und mit ihnen ändern sich auch intelligente Menschen, die über Gegenwart und Vergangenheit nachdenken. Zum Glück!

Gianfranco Fini ist und bleibt ein Konservativer. Man täte ihm Unrecht, wenn man ihm unterstellt, er sei ins gegnerische Lager übergewechselt. Seine Entscheidung, sich für das Projekt der PdL mit einem Mann wie Berlusconi zusammenzutun, erschien ihm vielleicht politisch klug, aber bleibt auch heute noch seine Achillesferse. Inzwischen hat er eine Vorstellung von der Rechten, die derjenigen anderer europäischer Konservativer, von Merkel bis Cameron, entspricht. Während die Vision von Berlusconi mental eher im alten Südamerika stecken geblieben ist und dem Peronismus näher als dem europäischen Konservativismus steht. Wir sind gespannt, wie sich jetzt die EVP und vor allem ihr deutscher Teil (die CDU/CSU) verhalten wird: Wird sie der Linie von B. folgen, die nun auch zum Ausschluss der wertkonservativen Fini-Gruppe führte, oder wird sie endlich den tiefen Graben in der EVP zur Kenntnis nehmen und sich vom Berlusconismus trennen?

Wie geht es jetzt in Italien weiter? Fini hat angekündigt, er wolle die Regierung, wenn auch kritisch, weiter unterstützen. Mit den Abgeordneten, die sich weiterhin zu ihm bekennen (und die jetzt eigene Gruppen in Parlament und Senat bilden), kann er auf die Entscheidungen Einfluss nehmen. Vorausgesetzt, dass B.s Anstrengungen, diese Abgeordneten doch noch auf seine Seite zu ziehen, nicht den erwünschten Erfolg haben. Wenn das Szenario der kommenden Monate eine Regierung ist, die aus ihren Schwierigkeiten nicht mehr herauskommt und mit Fini jede Maßnahme abstimmen muss, wird B. sicherlich alles versuchen, um zu Neuwahlen zu kommen. Dazu braucht er allerdings die Zustimmung des Staatspräsidenten, ein weiterer Stolperstein. B. weiß jedoch, dass seiner schwachen Regierung eine entsprechend schwache Opposition gegenübersteht – eine Opposition, stark im Streit über Nichtigkeiten, aber schwach, wenn es um die Bildung fester und erfolgreicher Bündnisse geht. Deshalb ist nicht einmal auszuschließen, dass es Fini bei Neuwahlen gelingt, nicht nur der PdL, sondern auch den Mitte-Links-Parteien Stimmen abzujagen. Wenn es diese nicht schaffen, ihre Gespaltenheit zu überwinden und gemeinsam eine Regierung auf die Beine zu stellen, die besser als die noch amtierende ist.

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