Italien am Scheideweg


Vorbemerkung der Redaktion

Am Sonntagabend stellte der neue italienische Ministerpräsident Mario Monti in einer Presskonferenz das Programm vor, mit dem er die italienischen Staatsfinanzen sanieren will. Unser Redaktionsmitglied Antonio Riccò, der die Pressekonferenz verfolgte, schrieb dazu den folgenden ersten Kommentar. Auf wichtige Einzelmaßnahmen dieses Programms werden wir noch eingehen.


Man kann mit Recht diese oder jene Maßnahme kritisieren, welche die Regierung Monti am Sonntagabend auf einer Pressekonferenz präsentierte, die nicht nur wegen ihrer Länge „historisch“ zu nennen ist. Vielleicht hätte man noch mehr tun können, um dem Anspruch der Gerechtigkeit zu genügen. Und Maßnahmen, die vor allem Lohnabhängige und Rentner mit niedrigen Einkommen treffen, anders gestalten können.

Trotzdem kann man Regierungschef Monti und seinen Ministern bei der Vorstellung ihres Gesetzesdekrets „für finanzielle Stabilität, Wachstum und Gerechtigkeit“ eines nicht vorwerfen: dass sie nicht Klartext geredet hätten.

Sie erinnerten uns ebenso freundlich wie nachdrücklich daran, dass nicht andere europäische Länder für die italienischen Probleme verantwortlich sind, sondern es die italienische Politik selbst war, die jahrzehntelang gewaltige Probleme ungelöst ließ. Dass eine Verschuldung von inzwischen 1, 9 Billionen Euro schleunigst abzutragen ist und wir diese Aufgabe nicht erst unseren Kindern und Enkeln überlassen dürfen.

Italien steht am Scheideweg – das war der Kern der Botschaft, welche die Regierung an alle Italiener richtete -, und muss sich nun entscheiden, welchen Weg es weiter geht. Der erste Weg ist schwierig und voller Hindernisse und verlangt von alle Bürgern und Parteien die Übernahme von Verantwortung. Und auch einen Beitrag für das Gemeinwohl.

Monti und sein Team von Technikern haben einen komplexen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der nicht vollkommen, aber doch klar konturiert und durchdacht ist. Und der vielen erhebliche Opfer abverlangt. Jetzt ist es Aufgabe der Politik, schnell zu klären, ob und in welchem Maß einige Ungleichgewichte zumindest abgemildert, wenn nicht gar beseitigt werden können. Das wird wegen des Zeitdrucks und der Gegensätzlichkeit der politischen Kräfte, die der Regierung im Parlament das Vertrauen aussprachen, keine einfache Aufgabe sein. Insbesondere auch wegen der Gefahr, damit einen Dominoeffekt auszulösen, der das gesamte Regierungsprojekt zunichte machen könnte.

Gibt es eine Alternative?

Natürlich, man kann das Gesetzesdekret ablehnen, Italien schnell bankrott gehen lassen und damit den Euro, die gemeinsame europäische Währung, zu Fall bringen. Mit unvorstellbaren sozialen Kosten, die in erster Linie wieder die sozial schwächsten Schichten zu tragen hätten. Mit einem hohen Preis für die italienische und europäische Demokratie. Den Aasgeiern, die sich in diesen Tagen im „padanischen“ Scheinparlament versammeln, würde man damit einen prachtvollen Kadaver auf dem Tablett servieren, den des italienischen Staates.

Hier musste der neue Ministerpräsident wirklich nicht in die Details gehen, um sich verständlich und allen die Dramatik des Moments klar zu machen. Das ist, ganz realistisch, das alternative Szenario zu der bitteren Medizin, welche die Regierung heute anbietet.

Wenn schon vor einem Jahr die Mitte-Rechts-Regierung nicht nur an eine ausgeglichene Bilanz, sondern auch an das Wachstum gedacht hätte… Wenn noch vor einigen Monaten Berlusconi und Tremonti nicht die Krise und die spekulativen Angriffe auf die italienischen Staatspapiere klein geredet hätten…

Leider bleibt uns weder Raum noch Zeit für solche „Wenns“. Man kann nicht die Augen verschließen, die Wirklichkeit ignorieren oder sich an ihrer Stelle eine nicht vorhandene imaginieren. Eine gemeinsame Anstrengung ist nötig, um die geltenden Regeln zu verbessern und beim Bezahlen der Kosten die Höhe der jeweiligen Einkommen zu berücksichtigen. Mit der Hoffnung, dass niemand nach Abkürzungen sucht, welche Italien und die Italiener (und nicht nur sie) direkt in den Abgrund führen.

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