Stolpert Renzi über den Zentralismus?


Vorbemerkung der Redaktion:

Mit freundlicher Genehmigung von Benno Kusstatscher und der Bozener Salto-Redaktion bringen wir hier eine etwas gekürzte Fassung seines Artikels „Stolpert Renzi über den Zentralismus? Das herbstliche Referendum bringt Renzi zum Schwitzen. Gerade aus den nördlichen Regionen bläst kalte Bergluft“, den er im Bozener Salto-Portal veröffentlichte. In unserem Blog haben wir Renzis Senatsreform bisher nicht im Kontext der in Norditalien starken Autonomie-Bestrebungen behandelt. Kusstatschers Artikel tut dies und zeigt damit eine weitere Klippe, an der die Senatsreform scheitern kann.

Hier können Sie die ungekürzte Version des Artikels im Bozener „Salto“ lesen.


Mit ein bissel Föderalismus hätte sich Renzi den Wohlwollen des Alpenbogens sichern können. Hat er aber (noch) nicht. Seitdem Renzi sein politisches Schicksal an das herbstliche Referendum gebunden hatte, war abzuzusehen, dass die rechte politische Landschaft ihre Chance wittert und auch nutzen will. In den von der Lega dominierten Regionen Lombardei und Venetien ist da für Renzi kein Heimspiel zu erwarten.

Im Gegenteil, Maroni und Zaia nehmen den Ministerpräsidenten mächtig in den Schwitzkasten. So sandten die beiden diese Woche ein als Ultimatum gewertetes Schreiben nach Rom, zur Kenntnis auch an den Staatspräsidenten Mattarella und den Regionenminister Costa, in dem sie fordern, dass gleichzeitig mit dem Referendum über die Verfassungsreform in Lombardei und Venetien auch ein Referendum über weitreichende Autonomie der beiden Regionen abgehalten wird. Ein cleverer Schachzug, zeigen die beiden damit auf die klaffende Wunde der allzu zentralistischen Ausrichtung der Verfassungsreform. Ob es in Renzis Macht steht, das Autonomiereferendum komplett zu verhindern, müsste sich erst noch weisen.

Lehnt Renzi ab, wird er mit massiven Gegenstimmen für sein Anliegen rechnen müssen. Will er die beiden Abstimmungen zeitlich trennen, so muss er, der er sich der Sanierung der Staatsfinanzen verschrieben hat, sich die Verschwendung von knapp zwanzig Millionen Euro vorrechnen lassen. So viel kostet ein Urnengang angeblich. Stimmt Renzi aber zu, werden beide Referenden am „Election Day“ mit hoher Wahlbeteiligung rechnen können. Den Demokraten freut’s, den Taktiker allerdings weniger. Für die Gunst der beiden Regionen müsste er wohl so einige Zugeständnisse wenigstens versprechen.

Den beiden Regionen ein paar autonome Zugeständnisse zu machen sollte niemanden irgendwelche Steine aus der Krone brechen. Renzi und seine Mannschaft driften aber von der Rolle der Gestalter in die Rolle der Getriebenen ab. Dabei hatten sie doch ein gute Weile Zeit, dem schon lange andauernden Bellen aus dem Norden etwas Konstruktives entgegenzusetzen. Die unter Monti beschlossene, unter Letta begonnenen Delrio-Regionalreform wurde zwar unter Renzi vollzogen, Porzellan und Tafelsilber der Provinzen zerschlagen. Die versprochene, neue Gestaltung der Lokalverwaltungen liegt aber als mittlerweile leere Versprechungen angesehen in irgend einer Schublade. Priorität B eben, in der politischen Agenda dieser ereignisreichen Zeiten. Nur wird das Verfassungsreferendum die Abschaffung der Provinzen endgültig besiegeln.

Mit „Ja“ zu stimmen, wird von vielen in unseren Nachbarprovinzen so interpretiert, wie das eigene Schicksal total aus der Hand zu geben und in die Hände deren zu legen, in die man schon lange das Vertrauen verloren hat.

Renzi wird beim Referendum um jede Stimme kämpfen müssen. Aus dem rechten Lager werden sie nicht kommen, aber entlang des Alpenbogens wären einige gar leicht zu schöpfen. Es ist wohl zu spät, bis Herbst irgend ein Komma in der Reform im föderalen Sinne abzuändern. Aber es ist noch nicht zu spät, ein paar neue Versprechungen, eine Vision, eine Roadmap vorzulegen. Einen Strohhalm wenigstens. Schließlich wissen die Wähler, dass Italien bei einem gescheiterten Referendum, bei einer gescheiterten Regierung viel zu verlieren hat.