Nachruf auf ‚Peppe’ D’Avanzo aus Neapel


Vorbemerkung der Redaktion

Wir trauern um Giuseppe D’Avanzo, der plötzlich gestorben ist. Er schrieb für die „Repubblica“, war investigativer Journalist und Spezialist für die Eskapaden, die Berlusconi in Konflikt mit der Justiz brachten. Seine Recherchen waren für uns eine wichtige und zuverlässige Quelle.


„Diese Welt braucht uns Journalisten mehr als je zuvor…Wir haben eine unverzichtbare Rolle. Ich glaube allerdings auch, dass dunkle Kräfte wie repressive Regimes, kriminelle Banden und militante Gruppen alles daran setzen werden, die Arbeit von Journalisten zu behindern.“ Dieses klare und auch stolze Bekenntnis zur Profession des Journalisten stammt von Joel Simon, dem Präsidenten des amerikanischen „Committee to protect Journalists“ . Simon und sein Komitee wissen, wovon sie reden. Seit Jahren schon beobachten und verurteilen sie weltweit alle offen repressiven oder ‚nur’ zensierenden Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit. Natürlich weiß auch Joel Simon, wie viele Journalisten opportunistisch, nur auf die eigene Karriere bedacht, oft auch ideologisch verblendet, ausschließlich vom ‚Scoop’ getrieben ihren Berufsstand in Verruf bringen. Die bekannt gewordenen aggressiven Formen der Informationsbeschaffung von Journalisten aus dem Murdoch-Konzern sind nur ein Beispiel unter vielen. Aber trotzdem sind Journalisten „unverzichtbar“ und „braucht die Welt Journalisten mehr als jemals zuvor“.

Was wüssten wir zum Beispiel über die seit Jahrzehnten aufgehäuften Machenschaften, kriminellen Delikte, Korruptionen und privaten Amüsements von Silvio Berlusconi ohne die hartnäckigen und zeitaufwendigen Recherchen vieler italienischer Journalisten?! Berlusconi hat immer Heerscharen von ergebenen Schreiberlingen für sich arbeiten lassen. Sie mussten die Homestories und Apologien seiner Geschäfte schreiben, um seine Wähler und Fans bei Laune zu halten. Sie mussten mit ihren Kommentaren und Artikeln alle Gegner wegbeißen, die sich dem Herrn zu sehr genähert hatten. Wenn Berlusconi mal – sehr selten – von ‚Pressefreiheit’ spricht, dann geht es ihm immer um die Verteidigung seiner ganz persönlichen Freiheit, nie um die Presse- und Meinungsfreiheit als kollektiven „Wert der Polis“ ( Norberto Bobbio ).

Aber es gab – und gibt – in Italien immer auch Journalisten, die sich der Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit in ihrer fundamentalen Bedeutung verpflichtet fühlen. Die den von Berlusconi und seinen Getreuen präsentierten halb- und unwahren Geschichten einfach nicht trauten. Die die offiziellen Verlautbarungen B.s und seiner Paladine, wie es professionell heißt, „gegencheckten“ und dabei auf immer dichtere Lügengespinste stießen. Die seit Jahren den öffentlichen Machtmissbrauch aufdeckten und anklagten. Die mit ihren Recherchen nicht locker ließen, wenn die ‚Mächtigen’ – und das betraf keineswegs immer nur den Hofstaat um Silvio Berlusconi – versuchten, Korruption, Nepotismus und Selbstbereicherung zu vertuschen.

Unter den vielen guten investigativen Journalisten gab es – seit dem vergangenen Wochenende muss man es leider im Imperfekt schreiben – einen, der als der wichtigste, professionellste und hartnäckigste Rechercheur galt. Ob es nun die dunklen Verbindungen zwischen Mafia und Politik betraf, die als undurchschaubar geltenden Beziehungen zwischen Geheimdiensten, Polizei und Militär, die Verflechtungen zwischen hohen und höchsten Bänkerkreisen mit den Parteien. In den letzten Jahrzehnten gab es in Italien keinen größeren Skandal, über den der in Neapel geborene Giuseppe D’Avanzo nicht recherchiert hätte. Es lässt sich so leicht über Verkommenheit, Korruption und Mafia in Italien daherreden. Aber woher hatten wir unsere Informationen? Irgendwann stößt man bei der Suche nach den Quellen immer auf Artikel und Bücher von Giuseppe D’Avanzo, den seine Freunde und Kollegen ‚Peppe’ nannten. Dass Berlusconi ihn von Herzen hasste, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Bei der Hartnäckigkeit, mit der D’Avanzo den Mailänder ‚Egokraten’ jahrelang mit seinen Recherchen begleitete, ist diese Spinnefeindschaft nicht verwunderlich. Giuseppe D’Avanzo war ein Bär von einem Mann (er spielte früher Rugby), scheinbar von robuster körperlicher Konstitution und extrem belastbar – was bei seinem Arbeitspensum als unentwegt tätiger investigativer Journalist auch unbedingt erforderlich war. Er starb, wie vom Blitzstrahl getroffen, an Herzversagen während einer Fahrradfahrt inmitten seines Urlaubs. Michele Serra, auch er einer der wichtigsten und bekanntesten italienischen ‚Edelfedern’, schrieb aus Anlass seines Todes: „ Die gut gewählten und oft unter Mühen dem Schweigen und Konformismus abgerungenen Worte können eine fantastische Waffe sein, ein Geschenk an alle. Ein Geschenk der Freiheit. Der Journalismus im Allgemeinen befindet sich nicht auf diesem Niveau. Einige Journalisten aber wissen uns Freiheit zu schenken. Giuseppe D’Avanzo war einer von ihnen.“

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