Politischer Selbstversorger

Für Antonio Di Pietro, den Vorsitzenden der Oppositionspartei „Italia dei Valori“ (Idv), ist Silvio Berlusconi in die Politik gegangen, um sich und seine Geschäfte zu retten. Nun gut, mag man sagen, das ist die Polemik eines politischen Gegners. Umso aufschlussreicher ist, was Fedele Confalonieri, der Vertraute Berlusconis und Präsident seines Medienkonzerns Mediaset, schon im Jahre 2000 gestand:

„Wäre Silvio nicht in die Politik gegangen, hätte er nicht Forza Italia gegründet (Berlusconis Partei zu Beginn seiner politischen Karriere, Anm. d. R.), dann würden wir heute unter Brücken schlafen oder als Mafia-Angeklagte im Gefängnis sitzen“ (nach „La Repubblica“ vom 23. 11. 2009).

Schauen wir uns die 18 Gesetze an, die Berlusconi seit 2001 für seine persönlichen Interessen im Parlament durchbrachte (siehe Dokumentation). Acht dieser Gesetze dienten dazu, seine persönlichen Geschäfte voranzubringen, und zehn, um sich vor Strafverfolgung zu schützen.

Schon allein die acht Gesetze, die seinen persönlichen Geschäften dienten, müssten in jedem demokratischen Gemeinwesen alle Warnlampen (Gefahr des Machtmissbrauchs) aufleuchten lassen. So gab es maßgeschneiderte Gesetze zur finanziellen Besserstellung seines Fußballvereins (siehe Doku, Nr. 5), zur Förderung des Verkaufs eigener Produkte (Nr. 9 und Nr. 13), zur Rettung eines Berlusconi-eigenen Fernsehsenders (Nr. 8), zur steuerlichen Belastung von Konkurrenten (Nr. 16), zur Amnestie eigener Steuer- und Bausünden (Nr. 6 und Nr. 11), zur Abschaffung der Erbschaftssteuer für große Vermögen (Nr. 2).

Nicht weniger gezielt sind die Gesetze, die von seinen Regierungen erlassen wurden, um ihn gerichtlicher Verfolgung zu entziehen. So schafft er den Straftatbestand der Bilanzfälschung ab (Nr. 3), lässt Steuerbetrug unter die Amnestie fallen (Nr. 6), ermöglicht es Angeklagten, sich die Richter à la carte auszusuchen (Nr. 4), möchte es Staatsanwaltschaften verbieten, einmal erreichte Freisprüche noch einmal anzufechten (Nr. 14), erschwert die Erhebung von Beweisen durch internationale Rechtshilfe (Nr. 1).

Das eigentliche Ziel Berlusconis ist die Nutzung seines Amtes als Ministerpräsident, um nicht mehr gerichtlich belangbar zu sein („Lodo Schifani“ und „Lodo Alfano“, Nr. 7 und Nr. 15). Leider ist das Verfassungsgericht dieser Auffassung (noch) nicht gefolgt, weshalb Berlusconi jetzt verkündet, es personell auswechseln zu wollen. Bei der letzten Verhandlung trugen seine Rechtsanwälte dem Verfassungsgericht und der Öffentlichkeit allen Ernstes vor, dass in einer „modernen Demokratie“ der Regierungschef kein „primus inter pares“, sondern „super pares“ sei. Zwar sei „das Gesetz für alle gleich, aber nicht immer seine Anwendung“, insbesondere nicht auf einen gewählten Regierungschef, der ja die Souveränität des Volkes verkörpere. Seitdem wissen wir, was zu erwarten ist, wenn Berlusconi den von ihm angestrebten „Presidenzialismo“ durchsetzt.

Aber solange es noch nicht soweit ist, versucht er, die gegen ihn anhängigen Prozesse wenigstens verjähren zu lassen (Nr. 12). In der Tat: In Italien drehen sich die Mühlen des Gesetzes besonders langsam. Der einzige sinnvolle und rechtskonforme Weg, dem abzuhelfen, würde darin bestehen, die Gerichte mit ausreichenden Ressourcen auszustatten, damit sie zügiger arbeiten können. Aber gerade das liegt nicht in Berlusconis Interesse, denn er will ja überhaupt keine Prozesse, zumindest keine Prozesse gegen sich. Gegenwärtig versuchen seine juristischen Zuarbeiter erneut, die Verjährungsregeln zu ändern, auch um den Preis, dass dabei Tausende und Abertausende von laufenden Prozessen zur Makulatur werden (Gesetzesentwurf Nr. 18). Und man überlegt auch, ob es nicht besser ist, den Tatbestand der Korruption gleich ganz aus den Strafgesetzbüchern verschwinden zu lassen. So rettet sich der Mächtige, auch wenn das Recht verdirbt.

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