Italiens Opposition: „La Repubblica“

Wer sich in Berlusconis Italien hoffnungsvoll nach der Opposition umschaut, sollte vorher ein Antidepressivum nehmen. Dort wuchert der Spaltpilz. Auf der einen Seite hinterließ die 1989 aufgelöste Kommunistische Partei Italiens (KPI) eine sozialdemokratisierte Mehrheit, die zusammen mit einer Gruppe linker Katholiken die Demokratische Partei (PD) gründete, in der Hoffnung, damit eine gemäßigt fortschrittliche Massenpartei aus der Taufe zu heben. Auf der anderen Seite gibt es die Nostalgiker des Italo-Kommunismus, die zum Beweis ihres Sektierertums gleich zwei Parteien gründeten, welche aber beide bei der letzten Parlamentswahl unterhalb der 4 % – Grenze blieben. Und obwohl die PD bei der letzten Wahl einen Achtungserfolg erzielte, beginnt sie gerade, sich wieder in ihre ursprünglichen Bestandteile zu zerlegen. Die einzige Oppositionspartei, die nicht in diese Erbfolge passt und Berlusconi vielleicht am schärfsten attackiert, ist die von Di Pietro gegründete kleine Italia dei Valori (IdV), die aber einer besonderen Betrachtung bedürfte.

Wer in Italien gegenwärtig nach einer wirksamen oppositionellen Kraft sucht, stößt eigentlich nur auf eine Tageszeitung, „La Repubblica“. Ihre Unabhängigkeit von Berlusconis Medienimperium verdankt sie dem Glücksfall, dass sich ihr späterer Herausgeber, Carlo De Benedetti, Ende der 80er Jahre mit Berlusconi einen Kampf um das Verlagshaus Mondadori lieferte, der unentschieden endete. Der Mondadori-Kuchen wurde geteilt, die Wochenzeitung Espresso und die Tageszeitung La Repubblica De Benedetti zugeschlagen.

Heute hat la Repubblica eine Auflage von etwa 650 000 Exemplaren (Stand: Juni 2009) und liegt damit knapp hinter der größten Tageszeitung Italiens, dem Corriere della Sera. Wer in Italien die Wächterrolle der vierten Gewalt ernst nimmt und sich mit den Mächtigen anlegt, also Korruptionsaffairen aufdeckt, die Beugung von Recht und Verfassung zum persönlichen Vorteil anprangert, stillschweigendes Paktieren mit der Mafia angreift und schmutzige Begleitumstände der Dolce Vita der Mächtigen ans Licht bringt, lebt gefährlich. Vor allem der Konflikt mit Berlusconi ist damit vorgezeichnet. Er, der alles tut, um den eigenen Prozessen zu entfliehen, hat seine Advokaten in Marsch setzt, um die noch vorhandene kritische Presse mit Prozessen in die Knie zu zwingen. Als la Repubblica in diesem Jahr allzu insistierend zehn Fragen stellte, die sich auf eine mysteriöse Beziehung Berlusconis, der sich mit seinen 73 Jahren immer noch gern als Frauenheld inszeniert, zu einer Minderjährigen bezogen (seine Frau hatte gerade ihre Scheidungsabsicht u. a. mit Berlusconis Beziehungen zu solchen Minderjährigen begründet), reagierte er mit einer 3 Millionen-Euro-Klage. Vor kurzem schob er eine weitere Klage nach, als „la Repubblica“ nach der Rolle fragte, welche die Mafia beim Aufbau seines Wirtschaftsimperiums gespielt hat. Aber es genügt ihm offenbar nicht, nur diese oder jene Kritik zu unterbinden. Im Oktober forderte er vor einem Industriellen-Kongress die italienischen Unternehmer auf, la Repubblica durch einen Anzeigen-Boykott ein für allemal ökonomisch zu vernichten.

So geht es bei dieser Auseinandersetzung um nichts Geringeres als die Presse- und Meinungsfreiheit in Italien, einer der Stolpersteine, die Berlusconis Weg in ein autoritäres Regime noch behindern. Von der EU-Kommission wurde er deshalb gerügt, aber das Europa-Parlament konnte sich bislang zu keiner Stellungnahme aufraffen. Für die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der nicht nur europäische Christdemokraten, sondern immer noch die Abgeordneten von Berlusconis Popolo della Libertà gehören, überwiegt offenbar die Fraktionsloyalität, ungeachtet der sonstigen Bekenntnisse der EVP zu Freiheit und Demokratie. Das italienische Gift beginnt schon, das europäische Gebälk zu zerfressen.

Es ist eine mutige Zeitung wie die Repubblica, welche die Ehre Italiens in dessen dunkelster Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg rettet.

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