Deutsche Bankenfusion stößt in Italien auf Kritik

Die Überlegung, es zu einer Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank kommen zu lassen, schlägt auch außerhalb Deutschlands hohe Wellen. Und zwar nicht nur wegen der Zweifel am wirtschaftlichen Nutzen einer solchen Operation und ihrer möglichen Folgen für die Beschäftigten (nach Schätzung der Gewerkschaft Verdi könnten bis zu 30.000 Arbeitsplätze verloren gehen). Sondern auch wegen der Rolle, die dabei der Staat – in Gestalt von Finanzminister Scholz – spielt.

Am vergangenen Sonntag hatten Deutsche Bank und Commerzbank offiziell bestätigt, „ergebnisoffene Beratungsgespräche“ zu führen, um die Möglichkeiten eines Zusammenführens beider Institute zu prüfen. Vorangegangen waren Äußerungen des Bundesfinanzministers und seines Staatssekretärs Jörg Kukies (der früher der Deutschlandchef der US-Investimentbank Goldmann Sachs war), die eine solche Fusion offen befürworteten. Deutschland brauche im Bankensektor einen „nationalen Champion“, der im Wettbewerb mit den chinesischen und amerikanischen Konkurrenten mithalten könne, so Scholz. Der Bund ist seit der weltweiten Finanzkrise 2008 mit einem Anteil von 15% der größte Aktionär der Commerzbank.

Zweifelhafte Rolle des Bundesfinanzministers

Dass das Bundesfinanzministerium aktiv eingriff, um den Fusionsprozess voranzutreiben bzw. überhaupt in Gang zu bringen, ist ein offenes Geheimnis. Berater der Commerzbank geben in Gesprächen mit Kunden unumwunden zu: „Die Politik will es so“. Nicht nur seitens der Oppositionsparteien, sondern auch aus dem Regierungslager wird vor einer „politischen Einflussnahme“ gewarnt. Über Pro und Contra einer Fusion hätten allein die Banken selbst zu entscheiden, erklärte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU Eckhardt Rehberg. Die Oppositionsparteien FDP und Grüne werten das Vorgehen des Finanzministers als staatliche Einmischung und ein – indirektes – Signal an Investoren zur Übernahme einer Staatsgarantie.

Eine solche ist nach den Richtlinien zur Sanierung und Abwicklung von Banken, die seit Januar 2016 europaweit gelten, nicht zulässig. Mit den neuen Bestimmungen wurde – besonders auf Druck Deutschlands – das sogenannte „bail in“-Verfahren zur Regel erklärt. Demnach müssen in Not geratene Banken auf eigene Kapitalreserven und Gläubigerbeteiligung zurückgreifen, um ihre Schwierigkeiten zu überwinden. Steuergelder dürfen nur in Ausnahmefällen – sozusagen als „ultima ratio“ – herangezogen werden.

„Die Arroganz, die Regeln hinwegfegt“

Das ist genau der Punkt, auf den sich auch die Kritik einiger italienischer Kommentatoren bezieht. Umso mehr, als die italienische Regierung schon öfter von deutscher Seite zur Ordnung gerufen und strikten Beachtung der Regeln aufgefordert wurde, als sie erwog, zur Bankensanierung öffentliche Gelder einzusetzen. In der Tageszeitung „ La Repubblica“ – ein linksliberales Blatt, das (anders als das rechtspopulistische Regierungslager) von plumper „Deutschenfeindlichkeit“ weit entfernt ist – wird insbesondere die Rolle von Finanzminister Scholz mit drastischen Worten angeprangert. Man stelle sich vor, ein italienischer Finanzminister hätte sich über die Fusion zwei italienischer Großbanken ähnlich geäußert: die deutsche Bundesregierung wäre die erste gewesen, die Italien der verkappten staatlichen Rettung angeklagt hätte, schreibt die Journalistin Tonia Mastrobuoni unter der Überschrift „Die Arroganz, die Regeln hinwegfegt“. Es sei unerhört, dass Scholz seinen Segen zu einem Vorgang gebe, für den (eigentlich) allein betriebs- und marktwirtschaftliche Kriterien maßgeblich sein dürften und den nur die Vertreter der betroffenen Banken selbst zu prüfen und zu entscheiden hätten.

Diese Vorgehensweise der deutschen Regierung sei aber nichts Neues, fügt Mastrobuoni hinzu. „In der Methode drückt sich eine bemerkenswerte Arroganz aus, die sich über alle Beteuerungen und Regeln einfach hinwegsetzt, die Deutschland selbst ganz Europa auferlegt hat. Und sie enthüllt die Heuchelei, die ihr schon immer innewohnte. Als der Vorgänger von Scholz, Wolfgang Schäuble, das „bail in“-Verfahren in der EU durchsetzte und schwor, dass die europäischen Steuerzahler künftig nie mehr ein Cent für die Banken ausgeben würden, entging niemandem, dass Berlin diese sinnvolle Regelung erst dann einbrachte, nachdem es den eigenen angeschlagenen Bankensektor (allen voran die Commerzbank) mit mehr als 200 Milliarden öffentlichen Geldern gerettet hatte… Damit rettete Deutschland sein „dreifaches A“ bei den Ratingagenturen und predigte danach ganz Europa, dass man solche öffentliche Rettungsinterventionen von nun an verbieten müsse“.

„Too big to fail“

Sollte die Operation „Deutsche Bank-Commerz“ zum Ziel kommen, so schließt Mastrobuoni ihren Artikel, wäre damit wieder einen Fall des „too big to fail“ geschaffen. Mit der Folge, dass – wenn die Sache schief geht – doch wieder massenhaft Steuergelder in die Rettung der dann zweitgrößten Bank Europas hineingepumpt würden.

Die gleiche Kritik üben auch die deutschen Grünen am Finanzminister. „Scholz muss endlich die Karten auf den Tisch legen, welche Rolle der Bund als größter Eigentümer der Commerzbank bei den Gesprächen spielt“, erklärte ihr haushaltspolitischer Sprecher Sven-Christian Kindler. Der Finanzminister ziehe im Hintergrund die Fäden, um eine „Großbank mit großen Risiken“ zu schaffen, und es sei nicht klar, ob bzw. in wieweit der Bund Anteile an dieser neuen Bank halten wolle. Eine solche „Großbank mit Staatsgarantie“ sei hochproblematisch, so Kindler.

Sein grüner Kollege im EU-Parlament, Sven Giegold, bezieht die Kritik auch auf die europapolitischen Auswirkungen eines solchen Vorgehens, und nennt dabei ausdrücklich Italien: „Über Italien herziehen und dann für sich selbst eine Extrawurst fordern, das geht gar nicht“, lautete sein Kommentar, womit er die Sichtweise der italienischen Journalistin bestätigte.

Verhalten von Scholz erzeugt Misstrauen

Es sieht nicht danach aus, dass der Bundesfinanzminister fähig oder willens ist, diese kritische Perspektive ernsthaft zu berücksichtigen. Seine Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hat allerdings inzwischen bekräftigt, dass es sich bei den Fusionsplänen um eine „rein privatwirtschaftliche Entscheidung“ handele. Dabei lägen alle „Herausforderungen, Chancen und Risiken“ bei den Unternehmen. Erst wenn eine Fusion tatsächlich von statten ginge, käme der Staat ins Spiel. „Natürlich haben wir ein Interesse daran, das Ergebnis dann zu bewerten“, sagte Merkel. Doch erst einmal müssten dies allein die Unternehmen selbst beurteilen.

Ob es dabei tatsächlich um unterschiedliche Meinungen innerhalb der Regierungskoalition geht oder eher um eine Art Rollenteilung nach dem Muster „böser Polizist, gut(e) Polizist(in), lässt sich schwer sagen. Sicher ist, dass die Haltung des Bundesfinanzministers in der Causa „Deutsche Bank-Commerzbank“ geeignet ist, in Italien Misstrauen und Abwehr zu erzeugen. Auch bei denjenigen, die im eigenen Land nationalistische und europafeindliche Positionen bekämpfen. Was – eigentlich – einem sozialdemokratischen Bundesfinanzminister zu Denken geben sollte.

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