Zum Zustand der PD – ein Zwischenbericht

Am vergangenen Wochenende fand in Mailand ein landesweites Treffen der PD („Mailänder Forum“) statt. Dort kündigte Maurizio Martina das Ende seines Übergangsmandats als PD-Generalsekretär an, das er seit Juli nach dem Rücktritt von Renzi kommissarisch ausübt. Damit ist der Weg frei, um den anstehenden Kongress (der voraussichtlich im Februar stattfindet) und die Vorwahlen zur Kür eines neuen PD-Vorsitzenden vorzubereiten.

Zerstritten und nach innen gewandt

Martina appellierte in Mailand an die Einheit der Partei und beschwor einen Zusammenhalt, den es nicht gibt. Die PD ist politisch geschwächt, tief zerrissen und im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt. Einig ist man sich darin, dass sich die Partei „erneuern“ müsse, aber nun streitet man darüber, ob man dafür den Namen oder das Symbol der Partei ändern solle. Was außer (vielleicht) ein paar Funktionären keinen Menschen interessiert. Die Kritik an der rechtspopulistischen Regierung erschöpft sich meist in der Routine-Klage, das Land werde in unverantwortlicher Weise gegen die Wand gefahren. Das stimmt zwar. Aber von der stärksten Oppositionspartei erwartet man Gegenvorschläge und Alternativen. Daran mangelt es, und was es davon in Ansätzen gibt, wie zum Beispiel beim Haushaltsgesetz und in der Sozialpolitik, geht meist in den parteiinternen Machtkämpfen unter und erreicht kaum eine breite Öffentlichkeit.

Renzi polarisiert weiter

Es ist für den Zustand der Partei bezeichnend, dass die verschiedenen Fraktionen und Flügel lieber getrennt als miteinander über Wege aus der gegenwärtigen Misere diskutieren. Der ehemalige PD- und Regierungschef Renzi, der dafür zwar nicht die ganze, aber doch einen Großteil Verantwortung trägt, blieb dem Mailänder Forum fern. Stattdessen veranstaltete er zuvor eine Neuauflage seines „Leopolda-Forums“ in Florenz. Weit entfernt davon, sich von der politischen Arena zurückzuziehen, betätigt er sich weiterhin als Strippenzieher und Polarisierer. Mit Blick auf den Kongress und die Wahl eines Nachfolgers sammelt er seine Truppen, damit er aus den Reihen seiner Getreuen kommt (er selbst tritt nicht an, so weit reicht noch sein Realitätssinn).

Noch ist offen, wen er favorisiert. Er hat zwar Minniti vorgeschlagen, der als Innenminister der Vorgängerregierung in der Flüchtlingsfrage einen knallharten Kurs verfolgte („Er kann Salvini schlagen!“ lautet sein fragwürdiges Lob). Doch Minniti selbst legt Wert auf die Feststellung, dass er sich – sollte er zur Wahl antreten – keineswegs als „Renzis Kandidat“ verstehe.

Kampf um PD-Vorsitz

Zingaretti wendet sich ab ...

Zingaretti wendet sich ab …

Wen Renzi mit Sicherheit verhindern will, ist Nicola Zingaretti, der Präsident der Region Latium, der als erster seine Bereitschaft zur Kandidatur erklärte. Zingaretti gehört zum linken Flügel der PD, und noch bei den Regionalwahlen 2018 gelang es ihm – gegen den Trend –, die Kandidaten der Rechten und der 5SB hinter sich zu lassen und im Amt bestätigt zu werden. Er fordert Diskontinuität gegenüber der „Ära-Renzi“, vor allem in Fragen der sozialen Gerechtigkeit, und plädiert für eine Zusammenarbeit mit Parteien und Gruppen links der PD (Sinistra Italiana und Movimento Democratico Progressista um Bersani und D’Alema). Er signalisiert auch Bereitschaft zum Dialog mit Teilen der 5SB, um dorthin abgewanderte frühere PD-Wähler zurückzugewinnen: „Wir dürfen nicht den Fehler machen, der illiberalen Rechten die ganze Wählerschaft der 5SB zu schenken, die unterschiedlich geprägt ist“. Dabei unterschätzt er wohl die Stärke des Rechtsrucks, der die 5SB samt ihrer Wählerschaft seit dem Regierungsbündnis mit der Lega erfasst hat. Die übergroße Mehrheit unterstützt entweder ausdrücklich den souveränistischen und antieuropäischen Kurs der Regierungskoalition, oder sie trägt ihn zumindest kritiklos mit, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Auch der als „links“ geltende Präsident der Abgeordnetenkammer, Fico, brachte es – bis jetzt – nur zu ein paar symbolischen Gesten und Sätzen, als der Kurs gegen die Flüchtlinge immer rabiater wurde.

Der frühere Ministerpräsident Gentiloni tritt selbst nicht als Kandidat an, sondern unterstützt – zum Ärger Renzis – die Kandidatur Zingarettis. Offen ist noch, ob der „Übergangsvorsitzende“ Martina, der gegenüber Renzi zunehmend auf Distanz geht, seinen Hut in den Ring wirft (wahrscheinlich wird er es tun). Es gibt noch ein paar weitere Kandidaten, denen jedoch kaum Chancen zugebilligt werden.

Szenarien nach dem Kongress

Unabhängig davon, ob sich der „linke Flügel“ oder die „Renziani“ beim Kongress durchsetzen und wer die Wahl zum Parteivorsitzenden gewinnt: Danach könnte sich der Konflikt weiter zuspitzen, von der von Martina beschworenen Einheit wäre man noch weiter entfernt. Viele PD-Vertreter und Kommentatoren schließen sogar die Möglichkeit einer Spaltung nicht aus. Insbesondere wenn die Renzi-Fraktion eine Niederlage einsteckt. Dann könnte sie die PD verlassen und eine eigene Partei „à la Macron“ gründen (mit dem kleinen Unterschied, dass Renzi in Italien inzwischen noch viel verhasster ist als Macron in Frankreich).

Die „sozialdemokratische“ und die „liberale“ Seele der Partei würden dann nicht mehr in einer Brust wohnen, das „Ulivo“-Experiment von Prodi in den neunziger Jahren und die Gründung des Partito Democratico durch Walter Veltroni im Jahre 2007 wären endgültig gescheitert. Der Philosoph und Politologe Roberto Esposito sieht in diesem – für ihn unvermeidlichen – Ausgang auch eine Chance, nämlich wenn es zu einer „einvernehmlichen Trennung“ käme. Diese könnte den zerstörerischen internen Machtkämpfen den Boden entziehen und neue Kräfte für ein „Bündnis unter Gleichen“ gegen den gemeinsamen rechtspopulistischen Gegner freisetzen. Beide Partner hätten dann die Möglichkeit, ein eigenes politisches Profil zu entfalten: der „sozialistische“ Pol im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik und der „liberal-republikanische“ Pol bei Bürgerrechten und mit einer zukunftsorientierten Europa-Politik.

Ich zweifle sehr, dass diese optimistische Prognose einer „einvernehmlichen Trennung“ zutreffend ist und eine solche Entwicklung überhaupt wünschenswert wäre. Wenn es zu dieser Trennung käme, könnte sie auch zu einer weiteren Zersplitterung der demokratischen Kräfte und einer noch größeren Desorientierung ihrer potentiellen Wählerschaften beitragen. Mit desaströsen Auswirkungen auf die Europawahl im Mai. Doch bis jetzt scheint es für eine bessere Alternative – gemeinsam bisherige Fehler einzugestehen und zu einem neuen politischen Grundkonsens zu kommen – wenig Raum zu geben.

Derjenige, der sowohl persönlich als auch politisch die größeren Chancen hätte, diese Alternative glaubwürdig zu vertreten, wäre der frühere Ministerpräsident Gentiloni, der nicht nur in der PD, sondern auch bei den Bürgern parteiübergreifend hohe Anerkennung genießt. Doch der tritt wohl zur Wahl für den PD-Vorsitz gar nicht erst an.

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