Politik als taktische Inszenierung

"Questa o quella ..."

„Questa o quella …“

„Questa o quella, per me pari sono …del mio core, l’impero non cedo“ singt der Graf bei Verdis Oper „Rigoletto“. „Diese oder jene (Frau) ist für mich ganz gleich …Ich überlasse keiner die Herrschaft über mein Herz“. Diese Arie singt auch der „capo politico“ der 5-Sternebewegung Luigi Di Maio, wenn es um mögliche Regierungskoalitionen geht. „Wir können mit der Lega oder auch mit der PD“. Ob eine rechtsradikale oder sozialdemokratische, eine europafeindliche oder europafreundliche Partei als Bündnispartner: Egal. Wie bei Verdis Grafen: Questa o quella per Luigi pari sono. Hauptsache, die sind ihm zu Willen und er kann „zur Sache kommen“. Im Fall Di Maios heißt das: Ministerpräsident werden.

Die neue Beliebigkeit

Schon erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit die Grillini – zumindest dem Schein nach – mutieren. Vom jakobinischen Purismus der ersten Stunde, wo alle Parteien („die Kaste“) nur aus machtgeilen Verbrechern, Mafiosen und Korrupten bestanden, bis zur jetzigen „postideologischen“ Beliebigkeit bei der Anwerbung von Regierungspartnern. Man hat noch die Streaming-Übertragung des Gesprächs zwischen dem damaligen PD-Chef Bersani und der 5SB-Delegation nach der Wahl 2013 in Erinnerung: Bersanis Angebot, Konvergenzpunkte für eine mögliche gemeinsame Regierung zu sondieren, wurde von den Grillini „a priori“ abgelehnt, sein Appell an politische Verantwortung mit höhnischem Gelächtern quittiert. Und nun ist es Di Maio, der mit staatstragendem Tremolo alle Parteien „zur Übernahme von Verantwortung für das Land“ aufruft. Noch unmittelbar vor der Wahl hieß es „Keine Allianz mit Niemanden“, jetzt heißt es „Allianz mit jedem (der unseren Führungsanspruch anerkennt)“.

Das Jonglieren zwischen Lega oder PD ist politisch inhaltsleer und nur taktischer Natur. In einem Interview mit der „Repubblica“ vor einer Woche beantwortete Di Maio die Frage, wie sich die 5SB zwecks Regierungsbildung gleichzeitig an so unterschiedliche politischen Kräfte wenden kann, mit nichtssagenden Floskeln. Es gehe darum, „die Interessen der Bürger in den Mittelpunk zu stellen“ und „die konkreten Probleme des Landes zu lösen“. Ganz allgemein nannte er Bereiche, die er für prioritär hält: Armutsbekämpfung, Korruption, Steuer, Renten … Dass die Antworten von Lega und PD auf diese Fragen völlig unterschiedlich sind, ignoriert er. Stattdessen verkündet er, es sei „an der Zeit, das Kriegsbeil zu begraben und Italien eine Regierung zu geben“ (mit ihm als Chef). Wann das Kriegsbeil geschwungen und wann es begraben wird, entscheidet er ganz allein.

Di Maios „Vertrag nach deutschem Modell“

Di Maios neueste „Idee“, um die Regierungsreife der 5SB zu beweisen, ist „ein Koalitionsvertrag nach deutschem Modell“. Dass ein solcher Vertrag in Deutschland erst am Ende von Koalitionsverhandlungen steht, ist ihm allerdings entgangen. Er will ihn schon vorher haben und hat dafür eine (von ihm ausgewählte) „wissenschaftliche Kommission“ beauftragt. Sie soll die Programme der anderen Parteien untersuchen, die größten Übereinstimmungen mit der 5SB herausfinden und auf dieser Grundlage dann den „Vertrag“ schon mal fertigstellen. Die anderen können ihm dann gerne zustimmen. Sehr praktisch. Dass Angie nicht selber darauf gekommen ist …

Die neue Ära der Dritten Republik – „einer Bürgerrepublik“ – sei eingeläutet, trompetete Di Maio nach dem Wahlsieg. Sein Verständnis von Politik als endlose Folge taktischer Winkelzüge erinnert eher an die „Erste Republik“ mit der alten Democrazia Cristiana und seinem Führer Andreotti. So wie die Zielstrebigkeit, mit der die 5SB und die Lega alle zu besetzenden Posten und Schlüsselpositionen in Abgeordnetenkammer und Senat unter sich aufgeteilt haben. Entgegen allen politischen Gepflogenheiten, die dafür die Berücksichtigung aller politischen Kräfte vorsehen.

Diese praktizierte Harmonie bei der Postenaufteilung lässt erahnen, dass die die Wahl des Koalitionspartners (Lega oder PD) so beliebig doch nicht ist und dass die 5SB in Wirklichkeit ein Bündnis mit der Lega anstrebt. Während die angekündigte Öffnung gegenüber der PD nur den Druck auf die Lega erhöhen soll.

Hindernis Berlusconi

Auf diesem Weg liegt allerdings (noch) ein Hindernis. Und das heißt Berlusconi. Ihre ganze Unnachgiebigkeit haben sich die Grillini für ihn aufgespart: Mit dem Rassisten Salvini wollen sie gerne regieren, mit Berlusconi nicht einmal sprechen. Das hat wenig mit moralischen Geradlinigkeit und viel mit Machtkalkül zu tun. Denn die grillinische Führung hat keinerlei Interesse, mit der vereinigten Rechten statt allein mit Salvini zu koalieren. Weil die 5SB dann in der Regierung nicht mehr stärkste Kraft, sondern Juniorpartner wäre. Und sie weiß, dass ein Bündnis mit Berlusconi an der Basis für gewaltigen Aufruhr sorgen würde. Also verweigert sie sich der Person Berlusconi – nicht aber Forza Italia insgesamt. Und unterstützt im Senat die Wahl von Elisabetta Casellati zur Präsidentin – die eine fanatische Berlusconi-Anhängerin ist, als Justiz-Staatssekretärin die „Gesetze ad personam“ für ihren Chef entwarf und Richter „Putschisten“ nannte.
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Bisher verweigert sich Salvini der Spaltungstaktik der 5SB, denn er hat genauso wenig Interesse wie Di Maio, die Rolle des Juniorpartners zu übernehmen. Sein mittel- bis langfristiger Plan ist es, sich nach und nach Berlusconis Forza Italia „einzuverleiben“ und der Führer einer rechtspopulistischen Gesamtpartei zu werden. Dazu braucht er Zeit, ein jetziger Bruch mit Berlusconi wäre riskant.

Innerhalb der PD überwiegt noch die Haltung, die Oppositionsrolle zu übernehmen und die Wahlsieger „machen zu lassen“. Die „Renzisti“ sind die vehementesten Vertreter dieser Position. Aber es gibt auch lauter werdende Stimmen (u. a. die Noch-Minister Orlando und Franceschini), die sich einem Dialog mit der 5SB und auch die Bildung einer „institutionellen Regierung“ unter Beteiligung aller größeren Fraktionen nicht verschließen wollen. Vor allem dann, wenn Staatspräsident Mattarella erkennen ließe, dass er einer solchen Option zuneigt.

Nach der zweite Konsultationsrunde

Matterellas zweite Konsultationsrunde ging heute (13.4.) zu Ende. In seiner anschließenden Erklärung vor der Presse stellt er fest, dass sich in der Zwischenzeit seitens der Parteien nichts bewegt habe. Er habe erneut alle an der Notwendigkeit erinnert, so bald wie möglich zu einer Regierungsbildung zu kommen. Und werde selbst in Kürze Schritte ankündigen, um diesem Ziel näher zu kommen.

Damit hat der Staatspräsident wichtige Pflöcke eingeschlagen: Erstens wird es eine dritte Konsultationsrunde bei ihm nicht geben; zweitens will er keine baldige Neuwahlen (ihm allein gebührt die Kompetenz, das Parlament aufzulösen) und drittens wird nun er die Initiative ergreifen, um aus der festgefahrenen Situation herauszukommen (und damit den Druck auf die Parteien erhöhen, sich selbst zu bewegen).

Welche Schritte es konkret sein werden, darüber wird spekuliert. Einiges spricht dafür, dass Matterella einen „Sondierungsauftrag“ erteilt. Wahrscheinlich nicht einem der Hauptkontrahenten (Di Maio oder Salvini), sondern einer dritten Person „mit institutionellem Profil“. Das könnte entweder die Senatspräsidentin Casellati (Berlusconis Busenfreundin) sein oder der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer Fico (Grillino der ersten Stunde). Wird es Casellati, wäre es ein Signal für ein Bündnis zwischen der Rechten und der 5SB; ein (eher unwahrscheinlicher) Auftrag an Fico könnte auf Sondierungen in Richtung PD deuten.

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