Nach dem Sieg der Rechtspopulisten

Der Wahlausgang entsprach einerseits den Erwartungen – und andererseits nicht. Dass die 5-Sternebewegung (5SB) zur stärksten Partei werden würde, zeichnete sich schon lange ab. Nicht aber die Höhe des Zuwachs. Mit 32,7 % übertraf sie alle Prognosen. Auch dass die Rechtskoalition aus Berlusconis Forza Italia, Salvinis Lega und Fratelli d‘ Italia die meisten Stimmen auf sich vereinigen würde, war erwartet worden. Nicht aber dass innerhalb des Bündnisses nun die rechtsextreme Lega mit 18,7% gegenüber der FI (14%) die klare Führung übernahm. Keine Überraschung sind auch die Verluste der PD, doch nicht in dieser Größenordnung: von 25,4 bei den Wahlen 2013 und gar 40% bei den Europawahlen 2014 stürzte sie auf 18,7% ab. Die aus diversen linken Gruppen gebildete Liste „Liberi e Uguali“ lag ebenfalls deutlich unten den Erwartungen: mit 3,4% schaffte sie gerade noch den Sprung ins Parlament.

„Es war ein Tsunami“

Die Wahlsieger

Die Wahlsieger

Dieses Ergebnis stellt nicht „einfach“ einen Rechtsruck dar, sondern eine politische Wende. „Es war keine Welle – es war ein Tsunami“ so Emma Bonino von der Liste „Mehr Europa“. In der Tat. Mehr als die Hälfte der italienischen Wählerinnen und Wähler hat sich für Parteien entschieden, die xenophobe und europafeindliche bzw. europaskeptische Positionen vertreten und sich „antisystemisch“ präsentieren, mit einem – zurückhaltend ausgedrückt – fragwürdigen Verhältnis zu demokratischen Werten und Institutionen. Man denke an die intransparenten Strukturen und Entscheidungswege bei der 5SB, an ihre Verachtung parlamentarischer Regeln und ihre aggressive Diffamierung politischer Gegner und kritischer Medienvertreter. Oder an Salvinis Rechtfertigung rassistischer Gewalttaten, für die er die Opfer und nicht die Täter verantwortlich macht. Von den versprochenen Wohltaten ganz zu schweigen, die ebenso wahnwitzig wie undurchführbar sind – es sei denn, man führt das Land in das Bankrott.

Die hohe Zustimmung zur 5SB hat allerdings mit einem bewussten Ja zu ihren programmatischen und oft widersprüchlichen Positionen (Euro nein, Euro ja, Euro vielleicht) wenig zu tun. Als Motiv für ihre Wahl nennen viele den diffusen Wunsch nach „Veränderung“. Mit den Regierenden davor sei man unzufrieden, also wäre es an der Zeit, „was Neues zu probieren“. Als ob es um ein Waschmittel oder ein Küchenrezept geht. Viele Stimmen für die 5SB kommen nach den Umfragen auch von enttäuschten PD-Wählern. Ähnlich wie in Deutschland, wo bei der letzten Wahl auch viele Wähler der SPD und der Linken zur AfD wechselten.

Aber keine Partei und keine „Koalition“ erreichte allein die Mehrheit. Es müssen also Bündnisse geschmiedet werden – oder es gibt Neuwahlen. Die möglichen Szenarien zur Bildung einer Mehrheit sind rechnerisch einfach, politisch aber schwierig.

Die möglichen Szenarien

Eigentlich ist die 5SB prädestiniert, die Regierung zu bilden. Diesen Anspruch stellte auch sofort Di Maio in seiner triumphalen Pressekonferenz. Die 5SB werde zu diesem Zweck „mit allen Seiten“ Gespräche führen. Vorbei die Zeiten, wo man jegliche Zusammenarbeit mit irgendwem „aus der Kaste“ ausschloss. „Wir sind weder rechts, noch links, noch Mitte – also können wir uns jedem anpassen“, lautet Grillos neue Botschaft. Allerdings: Für eine „antisystemische“ und „postideologische“ Bewegung wie die 5Sterne, die davon lebt, sich „weder rechts noch links“ zu positionieren (um aus allen Lagern Stimmen zu bekommen), bergen Regierungskoalitionen die Gefahr, jeweils Teile ihrer Wählerschaft – rechte oder linke – zu verprellen. Und in den Niederungen der Regierungsarbeit kann die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen und Kompromisse zu schließen, bei vielen Wählern schnell zur Enttäuschung führen. Ich bin mir daher gar nicht sicher, dass – jenseits des nun demonstrierten Enthusiasmus – die Perspektive der Regierungsübernahme für die 5SB wirklich so verlockend ist.

Der zweite Wahlsieger Salvini hätte im Hinblick auf gemeinsame Positionen – Abschottung gegen Zuwanderer, Kurs gegen Europa – die größte Nähe zur 5SB. Sein Problem wäre jedoch, dass er bei einer Koalition mit der 5SB nur ihr Juniorpartner wäre. Und dass er dafür (wahrscheinlich) mit dem bisherigen Bündnispartner Forza Italia brechen müsste. Erst einmal verkündete Salvini sein Nein zu „seltsamen Koalitionen“ (mit den Grillini); stattdessen werde jetzt das rechte Bündnis – unter seiner Führung – die Regierung bilden. Leider fehlen ihm und Berlusconi dazu ca. 50 Sitze. Woher nehmen und nicht stehlen? Das Anlocken so vieler machthungriger Abgeordneter aus anderen Parteien, worin Berlusconi schon Übung hat, könnte ein Problem werden, so viele „Wendehälse“ dürften sogar in Italien schwer zu finden sein.

Berlusconi selbst ist einer der Verlierer dieser Wahl. Erst vor ein paar Wochen tönte er noch in Brüssel gegenüber Juncker und der EVP, er sei der „Garant für Stabilität“ und habe seinen -Partner „voll im Griff“. Zumal die FI den Ministerpräsidenten stellen werde (Tajani, der jetzt Vorsitzender des EU-Parlaments ist). Doch in Norditalien triumphierte Salvini, während sich die Süditaliener diesmal nicht für den alten, sondern für den neuen Wunderheiler (Di Maio) entschieden.

PD vor einem Scherbenhaufen

Zu einer rechnerischen Mehrheit würde auch die Koalition von 5SB und PD reichen. Und Di Maio sendet derzeit Signale genau in dieser Richtung. Gerade also an die Partei, die bisher von den Grillini am heftigsten attackiert und als ein Haufen von Korrupten, Mafiosi und Sklaven der Banken beschimpft wurde. Und nun eine gemeinsame Regierung mit einer geschwächten PD als Mehrheitsbeschaffer? Vielleicht auch mit dem Hintergedanken, dass sie später als Sündenbock herhalten kann, wenn die 5SB das vor der Wahl Versprochene nicht einlöst? Schwer vorstellbar, dass es dazu kommt. Auch für die jeweilige Basis – der PD wie der 5SB – wäre es ein schwer verdaulicher Brocken.

Mit der Niederlage der PD und damit auch ihres Chefs Matteo Renzi setzt sich in Italien die tiefe Krise fort, welche die sozialdemokratischen Parteien ganz Europas erfasst hat. In Italien hat sie der selbstmörderische Zersetzungsprozess der Partei – mit seinen Abspaltungen, internen Abrechnungen und Anfeindungen – zusätzlich verschärft. Dafür trägt auch Renzi einen beträchtlichen Teil der Verantwortung. Mit seiner Arroganz und seinem egomanen Führungsstil hat er die Diskussion innerhalb der Partei erstickt und seine Kritiker aus den Entscheidungsprozessen ausgegrenzt. In der Pressekonferenz nach der Niederlage kündigte er nun an, er trete als Parteichef zurück – aber nicht jetzt, sondern erst nachdem sich das neue Parlament konstituiert habe und die Konsultationen zur Regierungsbildung abgeschlossen seien. In der jetzt beginnenden politischen Phase will er also noch im Spiel bleiben. Oder setzt er insgeheim darauf, dass es überhaupt zu keiner Regierungsbildung kommt? Auf jeden Fall versetzt er mit diesen Winkelzügen auch diejenigen in Rage, die sich bisher loyal mit öffentlicher Kritik an ihm zurückhielten, wie den noch amtierenden Ministerpräsidenten Gentiloni und seinen Vize Martina.

Mattarellas Rolle

Nun richten sich die Blicke auf Staatspräsident Mattarella. Ihm obliegt die Aufgabe, sich mit den politischen Parteien zu konsultieren und anschließend jemandem den Auftrag zu erteilen, nach einer Parlamentsmehrheit zu suchen. Derzeit hält er sich noch – wie es sein Amt verlangt – zurück. Indirekte Signale sendet er indessen schon aus, wie zum Beispiel zwei Tage nach der Wahl, als er bei einer Gedenkfeier zum internationalen Ehrentag der „Gerechten der Menschheit“ auftrat. Dort sprach von der Notwendigkeit, die Unverletzlichkeit der Menschenrechte zu verteidigen. Man dürfe niemals wieder Hass, Diskriminierung und Rassismus zulassen. Hörte ihm einer der Triumphatoren zu?

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