Grillinische Verschwörungstheorien

„Höchstwahrscheinlich ist das Massaker islamisch (gemeint ist wohl ‚islamistisch‘, MH), aber die Sache stinkt dennoch gewaltig!“ schließt Aldo Giannuli, Historiker (Spezialgebiet „Geheimdienste“) und „Berater“ der 5-Sterne-Bewegung, in Grillos Blog seinen Post über den Mordanschlag in Paris. Es spräche einiges dafür, dass hinter den islamistischen Attentätern „fremde Hände“ im Spiel gewesen seien, spekuliert er, und zählt dafür „Indizien“ auf: Wieso war die Redaktion von Charlie Hebdo so schlecht bewacht? Wie kann es sein, dass „drei mit Kalaschnikovs bewaffnete Jungs die französischen Geheimdienste an der Nase herumführen“? Wie konnten Waffen durch die Sicherheitskontrollen nach Frankreich geschleust werden? Warum gab es nach der Erschießung des Polizisten am Boden keine Blutspuren? Wie ist es möglich, dass einer der Attentäter den Personalausweis bei sich hatte und ihn dann im Auto liegen ließ? Sollten vielleicht „falsche Spuren“ gelegt werden?

Hirngespinste eines überdrehten „Geheimdienstspezialisten“, könnte man sagen, und das Ganze ad acta legen. Sie sind allerdings weit verbreitet. Ähnliche Komplott-Theorien kamen nach dem Anschlag auf die Zwillingstürme am 11. September 2001 auf. Auch da wurde über „fremde Mächte“ und „geheime Mandanten“ (CIA und Mossad) spekuliert, wofür allerlei angebliche „Indizien“ angeführt wurden. Leider musste ich mir damals diesen Unsinn auch von einigen meiner muslimischen Freunde anhören, die es nicht wahrhaben wollten oder konnten, dass es das Werk islamistischer Mörder war.

„Das sind doch die Juden!“

"Dunkle Mächte" im Spiel?

„Dunkle Mächte“ im Spiel?

Schon damals fiel es schwer, diese absurden Verschwörungstheorien zu ignorieren. Denn sie besagen etwas über die mächtige Neigung zu Verdrängung und Verharmlosung, die Menschen dazu verführt, schreckliche Verbrechen den eigenen „ideologischen Vorlieben“ anzupassen und ihre Augen vor der Wahrheit zu verschließen.

Deswegen hatte ich beim Lesen von Giannulis Post ein befremdliches Déjà vu-Erlebnis. Erst recht nach der Lektüre der Kommentare auf Grillos Facebook-Seite. Hier eine kleine Kostprobe:

„Das sind doch die Juden!!!!!! Mit Sicherheit!“
„Das sieht ganz so aus wie bei den Zwillingstürmen“
„Weiter so, CIA!“
„Schon wieder so ein kleiner Scherz vom CIA“
„Alles von den Israelis vorbereitet, weil Frankreich den palästinensischen Staat anerkannt hat“
„Wacht auf Ihr Idioten! Es handelt sich um zionistischen Terror, islamisch verkleidet !“

Ich weiß natürlich – bzw. will es hoffen -, dass dies nicht die vorherrschende Meinung unter Grillos Anhängern ist. Manche von ihnen äußern im Netz auch den Verdacht, solche Kommentare seien „Fälschungen“, mit denen die 5-Sterne-Bewegung diskreditiert werden solle (eine weitere Verschwörungstheorie). Aber auch angenommen, es wäre so: Wieso findet sich nirgendwo – weder von Grillo noch von Giannuli noch von einem anderen „prominenten Vertreter“ der 5-Sterne-Bewegung – eine Distanzierung bzw. Kritik solcher Äußerungen? Offensichtlich zieht man doch vor, in diesem Sumpf, in dem sich „linke und rechte“ Gesinnungen mit Antisemitismus und plattem Antiamerikanismus vermischen, weiter zu fischen. Das ist wohl auch der eigentliche Sinn des scheinbar so stolzen Spruchs: „Über Rechts oder Links sind wir hinaus!“

Ermüdungszeichen und Pseudodemokratie

Immer treu dem Motto, potentielle Wähler nicht zu verprellen – und wenn sie noch so schräge Positionen vertreten. Erst recht nicht jetzt, wo Grillos Bewegung an Zustimmung verliert und sich auch die internen Auseinandersetzungen zuspitzen. Immer mehr kritische Abgeordnete werden ausgeschlossen oder verlassen von sich aus die Bewegung.

Grillo selbst wirkt immer lustloser, seine Tiraden platter und langweiliger. „Ich bin etwas müde“, gab er zu und kündigte Ende November an, mit Hilfe eines „Direktoriums“ sich selbst Entlastung und der Bewegung neuen Elan verschaffen zu wollen. Dass neben dem Herrschaftsduo Grillo-Casaleggio ein Leitungsgremium Verantwortung übernimmt, wäre an sich ein Fortschritt – wenn es dafür ein demokratisches Bewerbungs- und Auswahlverfahren gegeben hätte. Aber nichts da: Grillo entschied gleich selbst, wer dazu gehören soll (die Abgeordneten Di Battista, Di Maio, Fico, Ruocco und Sibilia), und gab den zertifizierten Anhängern im Netz nur die Möglichkeit, innerhalb von ein paar Stunden pro oder contra seine Entscheidung zu votieren. 91,7% von ca. 37.000 Teilnehmern segneten dann auch Grillos Entscheidung ab. Alternativbewerbungen, Befragung der Kandidaten oder ähnlicher Schnickschnack waren nicht vorgesehen. Welche Kompetenzen und Aufgaben das „Direktorium“ hat, ist ebenfalls unbekannt.

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