Dimmi con chi vai …

„Dimmi con chi vai e ti dirò chi sei“ („Sag mir, mit wem Du gehst, und ich sag Dir, wer Du bist“) lautet ein italienisches Sprichwort. Und in der Tat: Die aktuellen Verhandlungen zur Bildung gemeinsamer Fraktionen im Europäischen Parlament sagen viel über die Akteure, deren Absichten und den politischen und kulturellen Boden aus, auf dem sie sie sich bewegen.

Die Wahl am letzten Sonntag hat bekanntlich auf die Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments erhebliche Auswirkungen. Es gibt Kräfteverschiebungen in und zwischen den Fraktionen. Europafeindliche, rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen haben an Einfluss gewonnen oder sind neu ins Parlament gekommen.

Merkel mit Berlusconi, Lega mit Le Pen …

Stärkste Fraktion bleibt die Europäische Volkspartei/EVP. Dies allerdings nur, weil sie weiterhin zwei rechtspopulistische Parteien – Berlusconis Forza Italia und Orbans Fidesz – zu ihren Mitgliedern zählt. Deren insgesamt 25 Abgeordnete sind genau diejenigen, die den Vorsprung der EVP gegenüber der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten/S&D ausmachen. Auch wenn – wie vermutet wird – demnächst sechs Abgeordnete der rumänischen Nationalliberalen zur EVP wechseln: die Stimmen von FI und Fidesz bleiben für die EVP entscheidend. Sie wird also weiterhin ihre Macht dem vorbestraften Berlusconi verdanken, ebenso wie Orban, der sich in Sachen Nationalismus, Demokratiefeindlichkeit und Xenofobie in nichts von Marine Le Pen unterscheidet.

Direkt in die Arme von Le Pen hat sich die Lega Nord geworfen, was keinen überrascht. Da haben sich die Richtigen zusammengefunden, unabhängig davon, dass die einen den Nationalismus und die anderen den Separatismus auf die Fahnen schrieben. Hauptsache, es geht gegen Europa, den Euro und die Migranten und Flüchtlinge, insbesondere wenn sie muslimischen Glaubens sind.

… und Grillo mit Farage?

Grillo und Farage in Brüssel

Grillo und Farage in Brüssel

Auf den ersten Blick überraschender ist die Hinwendung Grillos zur Ukip des Briten Nigel Farage. Farage ist nicht nur europafeindlich und xenofob – das wären durchaus schon Konvergenzpunkte mit dem heutigen Grillo. Aber er ist auch ein glühender Verfechter der Atomenergie, hält den Klimawandel für eine linke Erfindung, war von Beruf Finanzbroker und ist Vertreter eines radikalen Neoliberismus, der für eine noch weitergehende Entfesselung der Märkte und für umfassende Privatisierungen eintritt. Das scheint Grillo, der sich bisher gerne alternativ-ökologisch gebärdete und lautstark gegen die Finanzmärkte wetterte, nicht im geringsten zu stören. Ohne sich vorher von seinem geliebten „Netz“ ein Mandat zu holen, flog er nach Brüssel, um mit Farage über die Bildung einer gemeinsamen Gruppe im europäischen Parlament zu verhandeln. Wirklich überraschend ist es nicht, denn gerade im Europawahlkampf setzte Grillo immer stärker auf rechtspopulistische Themen, in der Hoffnung, damit im richtigen (Wahl)Trend zu liegen. Besonders interessant: Ausgerechnet Grillo, der in Italien mit keiner einzigen Partei reden, geschweige denn zusammenarbeiten will, verhandelt jetzt ohne mit der Wimper zu zucken mit dem Leader einer Partei, die für Atomkraft, Aufrüstung und Diskriminierung von Migranten und Homosexuellen steht. Gegenüber diesen feinen Herrschaften gilt das grillinische Reinheitsgebot nicht.

Fazit: Die EVP und mit ihr die CDU/CSU gehen zusammen mit Berlusconi und Orban. Die Lega Nord mit den Rassisten von Front National, Geert Wilders & Co. Und Grillos 5-Sterne-Bewegung mit der Ukip – was allerdings bei etlichen Grillini auf Ablehnung stößt und durch die noch anstehende Netzbefragung gestoppt werden könnte.

Auf der anderen Seite steht die sozialdemokratische Fraktion, in der die italienische PD die stärkste Gruppe stellt, noch vor der SPD. Und dann die liberale, die grüne und schließlich die linke Fraktion, zu der auch die neue Tsipras-Gruppe gehören wird. A propos Tsipras-Gruppe: Eine ihrer prominentesten italienischen Vertreterinnen, die Journalistin Barbara Spinelli (die gewählt wurde, aber auf ihr Mandat verzichtete), plädiert dafür, im Europaparlament nach „Übereinstimmungspunkten“ mit den Grillini zu suchen. Was das für Ubereinstimmungen sein sollen – insbesondere wenn Grillo jetzt mit Farage ein Bündnis eingeht -, bleibt Spinellis Geheimnis. Ich glaube kaum, dass die Wähler der Tsipras-Liste von diesem Vorschlag begeistert sind. Man wird sehen.

Noch ist einiges offen im Hinblick auf die Bildung gemeinsamer Fraktionen bzw. Bündnisse im neuen EU-Parlament. Aber auch hier bietet das italienische Sprichwort „Dimmi con chi vai …“ eine nützliche Orientierung.

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