Ein Jahr Super-Mario

Vor fast genau einem Jahr, unter dem Druck einer sich dramatisch verschärfenden Finanzkrise, räumte B. endlich das Feld und Staatspräsident Napolitano beauftragte den ehemaligen EU-Kommissar Mario Monti, eine „Regierung der nationalen Rettung“ zu bilden.

Eine Regierung von „Experten“, Parteipolitiker blieben außen vor. Aber die sog. „technische Regierung“ war und ist in Wirklichkeit hochpolitisch (wenn auch nicht parteipolitisch). Sie verfolgt einen liberalkonservativen Kurs, in dessen Zentrum der Abbau der enormen Staatsschulden, Kürzungen, Steuererhöhungen und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes stehen.

Wie sieht die Regierungsbilanz der „Professoren-Regierung“ nach einem Jahr aus? Ich würde sagen: einiges Licht, noch mehr Schatten.

Licht…

Monti ist es gelungen, die Angriffe der Finanzmärkte abzuwehren bzw. so weit zurückzudrängen, dass der Staatsbankrott Italiens verhindert wurde. Was nicht gerade wenig ist. Der berüchtigte Spread zwischen den Zinsen italienischer und deutscher Staatsanleihen ist – trotz aller Pendelbewegungen – insgesamt deutlich zurückgegangen. Die Zinsen für italienische Anleihen sind immer noch unverhältnismäßig hoch, aber nicht mehr lebensbedrohlich.

Monti ist es weiterhin gelungen, die durch B. ruinierte internationale Glaubwürdigkeit Italiens wieder herzustellen. Auch nicht gerade wenig in einer globalisierten Welt, wo Glaubwürdigkeit und Vertrauen sowohl wirtschaftlich als auch politisch existenziell sind. Machten Regierungschefs auf Gipfeltreffen um B. einen Bogen, so hören sie jetzt zu, wenn Italiens Regierungschef seine Meinung bekundet. Beim Gipfeltreffen im Juni gelang es Monti sogar, die Verweigerungshaltung der Bundeskanzlerin hinsichtlich Rettungsschirm und EZB-Interventionen zu lockern. Monti zeigte, dass er genauso hart verhandeln kann wie seine deutsche Kollegin.

Zudem versucht die Monti-Regierung mit einer gewissen Konsequenz, das Riesenproblem „Steuerhinterziehung“ in den Griff zu bekommen. Während B. Steuerhinterziehung öffentlich schön redete (kein Wunder bei jemanden, der selbst wegen massiven Steuerbetrugs verurteilt wurde), erklärt Monti, Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwerwiegende Straftat – nicht nur gegen den Staat, sondern zuallererst gegen alle steuerehrlichen Bürger. Durch gezielte Überprüfungen und neue Kontrollinstrumente konnten bereits einige Milliarden wieder der Staatskasse zugeführt werden.

… und Schatten

Diese Lichtblicke reichen allerdings nicht aus, um die massiven Schatten zu vertreiben, die auf der Regierungsbilanz liegen: Die Experten-Regierung schaffte es nicht, ihre Austerity-Politik mit wirksamen Impulsen zur Wiederbelebung der dahinsiechenden Wirtschaft zu verbinden. Im Gegenteil: die Rezession schreitet voran. Viele Unternehmen, im Norden wie im Süden, schließen oder sind am Rande des Ruins, die Kaufkraft schwindet – nicht allein bei Arbeitnehmern und Rentnern, sondern auch in der Mittelschicht – und die Arbeitslosigkeit erreicht Rekordhöhen, besonders unter Jugendlichen. Die soziale Schieflage verschärft sich zunehmend.

Unter dem Druck der „seltsamen Mehrheit“ von rechts bis links, die die Regierung parlamentarisch (noch) stützt, bleibt manche strukturelle Reform, wie z. B. eine ernstzunehmende Vermögenssteuer, bisher aus. Gerade mit den rechten Parteien, die im Parlament numerisch noch die Mehrheit haben, will die Regierung keinen ernsthaften Streit riskieren. Also werden die Lasten vor allem auf diejenigen abgewälzt, bei denen das Kassieren am einfachsten ist. Und das sind nicht die Wohlhabenden. Die gleiche Halbherzigkeit zeigt die Regierung bei dem geplanten Antikorruptionsgesetz, wo sie bei „heißen Themen“, die für B. von besonderem (Eigen)Interesse sind, einknickte: Bilanzfälschung, Verjährungsfristen, Rechenschaftspflicht für Richter.

Ein weiterer großer Schatten, wenn nicht gar blinder Fleck, ist die sträfliche Vernachlässigung der Bereiche „Bildung, Forschung, Innovationen“, die auch in wirtschaftlicher Hinsicht von strategischer Bedeutung sind – gerade für Italien. Statt hier endlich Akzente zu setzen, wird lust- und einfallslos herumgebastelt, der verstärkte Einsatz digitaler Medien in Schule und Hochschule als Modernisierung angepriesen und dieser oder jener Anreiz zur Exzellenzförderung eingeführt. Was aber die verbesserte Aus- und Fortbildung des Lehrpersonals in Schulen und Hochschulen, die systematische Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Investitionen in innovative Forschung betrifft: bestenfalls Stückwerk. So wandern Italiens junge „kluge Köpfe“ lieber ins Ausland aus, z. B. nach Deutschland.

Nun neigt sich die Zeit der Professoren ihrem Ende zu. Es sei denn, Casinis Traum geht in Erfüllung, uneindeutige Wahlergebnisse könnten nur ein „Monti 2“ als stabile Regierungsoption übrig lassen. Was der demokratischen Entwicklung Italiens nicht gut täte, denn es würde den Zerfall der politischen Parteien, die Abwendung der Bürger von der Politik und ihre Hinwendung zu populistischen Botschaften weiter beschleunigen. Zur Freude Grillos und des Cavaliere.

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