Volksverhetzer unter sich
Die Hetzkampagne der rechtsnationalistischen Journaille – in Italien und nun auch in Deutschland – geht weiter und spitzt sich sogar zu. So nahm der Spiegel-Journalist Jan Fleischauer die Katastrophe der Costa Concordia zum Anlass, um in seinem SPIEGEL-Online-Artikel vom 23. 1. über Volkscharaktere, klimatisch und sprachlich bedingte Nationaleigenschaften (feige, eitle, unzuverlässige Südländer versus fleißige, vernünftige, erfolgreiche Nordländer) und die „Psychologie der Völker“ dummes Zeug zu schwadronieren. „Man kennt diesen Typus aus dem Strandurlaub“, belehrt uns der Volkskundler und meint damit „den Italiener“ an und für sich: „… mit großen Gesten und sprechenden Fingern. Im Prinzip harmlos, man sollte ihn nur nicht zu nahe an schweres Gerät lassen“. Ja ja, Herr Fleischauer kennt sich aus. Aus dem Strandurlaub. Auch zur Euro-Krise weiß er Tiefgründiges zu berichten: sie sei „kulturell“ gewissermaßen prädestiniert; man müsse nicht „Volkswirtschaft studiert haben, um zu wissen, dass das (mit Italien, Griechenland und dem Euro, M. H.) nicht gut gehen konnte, ein Besuch in Neapel und auf dem Peloponnes hätte eigentlich gereicht.“
Die volkskundlichen Erkenntnisse des Herrn Fleischauer aus seinem Strandurlaub und seinen Neapel-Besuchen bieten wiederum dem Chefredakteur des „Giornale“ (zur Erinnerung: Berlusconis Familienblatt), Sallusti, Gelegenheit, um die antideutsche Hetze kräftig weiter voranzutreiben. „Für uns Schettino, für Euch Ausschwitz“ lautet der haarsträubende Titel seines Artikels vom 27. 1. Hatte Fleischauer alle Italiener als unzuverlässige Kantonisten und lächerliche Versager charakterisiert, so definiert Sallusti gleich alle Deutschen als Nazis und Massenmörder.
„Nach Meinung des ‚Spiegel‘ sind wir ein Volk von Schettinos und es ist kein Wunder, dass das vor der Insel Giglio passiert ist. Mehr noch: Wir alle sind Leute, denen man nicht trauen kann, eine Last für Europa, ein Hindernis für die Entwicklung der gemeinsamen Währung… Aber sie, die Deutschen, sie sind ja tüchtig, denn ‚bei uns passiert so etwas nicht, weil wir – im Unterschied zu ihnen – eine Rasse sind‘ “. (Übrigens: bei allem Unsinn, den der Fleischauer-Artikel verbreitet – den von Sallusti zitierten Satz über die „deutsche Rasse“ hat er frei erfunden. Aber das nimmt er nicht so genau). Und dann kommt’s:
„Es ist wahr, wir Schettino-Italiener haben so um die dreißig Schiffspassagiere auf dem Gewissen , diejenigen aber, die zur Rasse von Jan Fleischauer gehören, haben sechs Millionen Passagiere ermordet. Das waren die Juden, die im Zug in die Vernichtungslager transportiert wurden. Und kein Angehöriger der höheren deutschen Rasse hat nur einen einzigen gerettet. Im Unterschied zu uns, die wenigstens 4200 Schiffspassagiere und Hunderttausende Juden gerettet haben, zur Zeit der unsäglichen Rassengesetze…. Es ist wahr, wir Italiener sind so gestrickt, dass wir die Gesetze nicht immer respektieren, ob sie die Schiffsfahrt oder die Rassen betreffen. Die Deutschen hingegen sind tüchtiger. Wir haben sie ja in unseren Städten in Aktion gesehen, wie sie auf Befehl Frauen und Kinder erschossen, oft in den Rücken“. Und weiter in diesem Tenor.
Ob sie Sallusti, Fleischauer oder Sarrazin heißen: Die Volksverhetzer sind über nationale Grenzen hinweg Brüder im Geiste. „Wir“ und „sie“. „Die Italiener“, „die Türken“, „die Deutschen“. Ein Volk von unfähigen Feiglingen. Ein Volk mit defekten Genen. Ein Volk von Massenmördern. Das Spiel ist immer das Gleiche. „Wir“ gegen „die Anderen“, auf die man eindrischt. Mit Hass und Häme. Allzu oft hat dieses Spiel schon funktioniert, in fernerer und jüngerer Vergangenheit. Dass sogar die Opfer des Holocaust dafür missbraucht werden, ist unerträglich infam.
In Italien hat der Wahlkampf jedenfalls begonnen. Und er zeigt, wozu der Populismus fähig ist, der um Stimmen kämpfen muss.