Die Lega schärft ihr Profil

Als Regierungspartei an Berlusconis Seite war das Hauptziel der Lega Nord der „Föderalismus“, worunter sie die Abkoppelung der Entwicklung des italienischen Nordens vom Süden versteht. Weitere Betätigungsfelder waren die Hetze gegen Migranten und Flüchtlinge, die Verteidigung der EU-Milchsubventionen für die norditalienischen Bauern und gelegentliche Aufrufe von Parteiführer Bossi – seinerzeit Staatsminister – zum bewaffneten Aufstand „gegen Rom“. Hinzu kam die Pflege keltischer Rituale, wie die feierliche „Taufe“ von Kindern mit dem „heiligen“ Wasser des Po oder das Schwenken von Schwerten in mittelalterlicher Verkleidung. Nur Innenminister Maroni brachte – positiv oder negativ – überhaupt etwas zustande. Und einige Lega-Bürgermeister, deren lokale Bilanz sich durchaus sehen lassen kann.

Jetzt ist die Lega in der glücklichen Lage, die katastrophalen Konsequenzen dieser gemeinsamen Regierungszeit anderen überlassen und endlich ihre wahre Berufung – die populistische Fundamentalopposition – voll ausleben zu können. Da sie sich von jeder Verantwortung für die Krise losgesagt hat, kann sie ungehemmt gegen die Missetaten der neuen Regierung wettern. Und ruft gleichzeitig zum Kampf gegen die Unterwerfung Italiens unter fremde Mächte auf, womit sie Deutschland, Frankreich und das internationale Finanzkapital meint. Sie macht sich zum Anwalt der „kleinen Leute“ (sofern sie im Norden leben) und lehnt (auch für Reiche) Änderungen des Rentensystems und Steuererhöhungen ab. Ein von der Lega erfundenes „Padanisches Parlament“ soll einen „Streik“ gegen die von der Regierung beschlossenen Wohnungssteuer beschließen. Im realen Parlament machen die Lega-Abgeordneten Randale, beschimpfen Minister- und Senatspräsidenten als „Clowns“, unterbrechen Redner mit Trillerpfeifen und halten Protestplakate hoch („Schluss mit Steuern!“, „Nieder mit dem Diebstahl!“), die sie sich johlend gegenseitig zuwerfen, wenn der Ordnungsdienst eingreift. Bis die Sitzung unterbrochen wird.

Es wäre ein Fehler, dies alles nur als lächerliches Spektakel zu verharmlosen. Die Lega greift damit nicht nur die neue Regierung, sondern auch deren neuen Politikstil an: ziviler Umgang mit dem politischen Gegner, Respekt vor den Institutionen, Sachlichkeit. Genau das Gegenteil von der Barbarisierung der Sitten in der Berlusconi-Ära, von B.s Hasstiraden und Zoten bis zu Bossis Stinkefingern und Maulfürzen (ich habe inzwischen gelernt, dass dies die korrekte Übersetzung von „Pernacchie“ ist) als höchste Form der politischen Stellungnahme. Eine Barbarisierung der Form, die der Verachtung demokratischer Regeln und Institutionen entspricht und zu der die Lega zurück will.

Die Gründe dieser rabiaten Fundamentalopposition sind in erster Linie interner Natur. Dass die Lega jahrelang alle Sauereien des Cavaliere mittrug, von seinen Gesetzen „ad personam“ bis zu den Bunga-Bunga-Spielchen, erzürnte nicht nur die Lega-Basis, sondern kostete ihr auch Wählerstimmen. Zu eklatant der Widerspruch zwischen dem Anspruch, eine Partei der „Sauberkeit“ zu sein, und praktizierter Politik. Auch die Bilanz des Kampfes um Föderalismus hat nicht gerade Zufriedenheit erweckt. Außer der Verlegung von ein paar ministeriellen Büros in den Norden, die mit großem Tamtam als „staatliche Dezentralisierung“ präsentiert wurde und das padanische Volk ziemlich kalt ließ, war da nämlich nicht viel. Im Netz und auf den Versammlungen tobte sich der Protest gegen die Parteiführung aus. Intern verstärkte sich der Machtkampf zwischen dem Parteivorsitzenden Bossi und der Gruppe um den ehemaligen Innenminister Maroni, der schon länger zu B. auf Distanz gegangen ist und eine „Regenerierung der Lega von unten“ anstrebt, die ihn selbst an die Parteispitze führt.

Die gegenwärtige Oppositionsrolle soll der Lega – vor allem der Maroni-Fraktion – die Gelegenheit zu dieser „Regenerierung“ bieten. Mit den Vitaminspritzen Rechtspopulismus, Fremdenfeindlichkeit, Schüren antieuropäischer Ängste, Separatismus. Padanien für unabhängig erklären und den Euro durch eine padanische Währung ersetzen, das wäre die Rettung. Parolen, über die man lächeln mag, die aber in einer Situation akuter Krise und wachsender sozialer Spannungen eine gefährliche Eigendynamik entwickeln können.

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