Bossis Sehnsucht nach Gadhafi

Die Position der italienischen Regierung zum Militäreinsatz in Libyen war von Anfang an konfus und durchlief mehrere Stadien: von B.s anfänglichen Erklärungen, man wolle den libyschen Diktator und Freund „nicht stören“, über flankierende Maßnahmen zu den Nato-Aktionen (Bereitstellung der Nato-Stützpunkte in Italien, Versendung von absichernden Flugzeugen und Schiffen), bis schließlich (Ende April) zur Entscheidung, sich direkt an der Bombardierung von Gadhafis Truppen zu beteiligen.

Von Anfang an gab es Streit und Widersprüche innerhalb der Regierungskoalition, weil die Lega Nord sofort laut ihren Unmut über die Zustimmung zu der UNO-Resolution und die italienische Beteiligung äußerte. Noch heftiger wurde der Konflikt nach B.s Entscheidung zu einer „aktiven“ Rolle des italienischen Militärs. Lega-Minister erklärten, sie würden hierzu ihre Zustimmung verweigern, Bossi verkündete, Italien sei eine „französische Kolonie“ geworden. Kriege seien immer schlecht und teuer und – dies als Hauptargument – der italienische Militäreinsatz werde dem Land eine „Invasion von Flüchtlingen“ bescheren.

Die Lega setzt damit einerseits auf die verbreitete Kriegsskepsis vieler Italiener, auch innerhalb der Regierungsparteien. Andererseits schürt sie mit dramatisierenden Szenarien die Angst vor Flüchtlingen und propagiert die isolationistische Verweigerung jeglicher internationalen Verantwortung. „Warum müssen wir uns da einmischen? Was gehen uns die Stammeskonflikte in Libyen an?“ fragen die Lega-Vertreter. Und überhaupt: Man sei doch bisher mit Gadhafi in Sache Migrantenabwehr prima gefahren und autoritäre Regimes gebe es viele in der Welt, warum sich ausgerechnet in Libyen einmischen? So z.B. Flavio Tosi, Lega-Bürgermeister in Verona, in der Fernsehsendung „Ballarò“ vom 3. Mai.

Dass bisher nicht nur Italien, sondern die meisten westlichen Staaten gut mit arabischen und nordafrikanischen Despoten zurecht kamen, ist kein Geheimnis. Dass eine Regierungspartei in einem wichtigen europäischen Land diese Sehnsucht nach der helfenden Hand von Diktatoren offen zum Ausdruck bringt, und zwar auch dann noch, wenn es in diesen Ländern revolutionäre Erhebungen gibt, ist allerdings bemerkenswert.

Die Position der Lega in der Libyen-Frage ist innenpolitisch motiviert: Mitte Mai sind in wichtigen norditalienischen Städten, u.a. in Mailand, Kommunalwahlen. Lega und PdL treten dort, trotz Regierungskoalition, als politische Konkurrenten auf. Bossi und seine Leute wollen mit Antikriegsparolen und vor allem mit der Angst vor der „Flüchtlingsinvasion“ bei konservativen Wählern punkten, auch innerhalb der PdL. Im vollen Bewusstsein, dass ihren Parolen nicht unbedingt Taten auf der Regierungsebene folgen müssen.

Ein Beleg dafür ist der Antrag zum Libyen-Einsatz, den die Lega Anfang Mai ins Parlament einbrachte. Er verlangt eine „klare zeitliche Befristung“ der Intervention. Auch dürfe der Einsatz zu keinerlei Steuererhöhungen führen. Die Migranten aus Nordafrika müssten mit Militärschiffen abgewehrt und die Flüchtlinge auf alle europäischen Länder verteilt werden. Wenn B. dem nicht zustimme, sei die Koalition in Gefahr, drohte Bossi. B. beeilte sich zu erklären, die „Grundrichtung“ des Lega-Antrages sei völlig richtig. Schließlich kam es zu einem Kompromiss, in dem die PdL ein paar Änderungen und Relativierungen in den Antrag einbrachte. Vor allem erhielt die „klare zeitliche Befristung“ der italienische Intervention den Zusatz: „in Abstimmung mit den internationalen Organisationen und den Verbündeten“. Worauf der Nato-Generalsekretär sofort wissen ließ, von einer klaren zeitlichen Terminierung könne derzeit keine Rede sein. Worauf Außenminister Frattini erklärte, Italien werde voll zu den übernommenen Verpflichtungen stehen.

Der von der Regierungsmehrheit verabschiedete Antrag wird also keine konkreten Auswirkungen haben, außer der, den Verbündeten die Wirrungen der italienischen Politik vor Augen zu führen. Doch der alte Fuchs Bossi durfte danach verkünden, die Lega habe „triumphiert“ und B. ihren Willen aufgezwungen. Und in der Tat: wenn auch in der Praxis folgenlos, hat die Lega mit ihrer Antragsinitiative erneut deutlich gemacht, wie stark der angeschlagene Ministerpräsident von ihr abhängig ist.

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