Italienische Rechte: zwischen Putin-Verehrung und Patriotismus

Bekanntlich unterhält Salvinis Lega schon lange enge Beziehungen zur Partei „Vereintes Russland“, in der Putin zwar formal kein Mitglied, aber de facto Parteichef ist. In den vergangenen Jahren reisten Salvini und Vertreter der Lega häufig zu Treffen mit Putin und seiner Partei nach Moskau, bei denen es u. a. um die Frage finanzieller Unterstützung des Lega-Wahlkampfes durch die russische Seite ging. Der Lega-Chef zeigte immer wieder große Bewunderung für den Diktator. „Ich würde sofort zwei Mattarellas für einen halben Putin tauschen“, oder „Wenn wir in Italien einen Putin hätten, würde alles besser laufen“ erklärte er und postete Bilder, die ihn strahlend auf dem Roten Platz im T-Shirt mit Putins Konterfei zeigen.

Salvini 2014 auf dem Roten Platz

Dass es sich dabei nicht nur um markante Sprüche handelt, zeigt eine von Lega und Vereintes Russland am 6. März 2017 unterzeichnete „vertrauliche Vereinbarung über partnerschaftliche Zusammenarbeit“. Sie hatte eine Gültigkeit von fünf Jahren (d.h. bis zum 6. März dieses Jahres), die aber automatisch verlängert wird, wenn sie von einer der beiden Seiten nicht mindestens sechs Monate vor Ablauf gekündigt wird. Da dies nicht geschehen ist, gilt die Vereinbarung weiter. Der Partnerschaftsvertrag sei „schon lange nicht mehr operativ“, versucht die Lega sich nun zu rechtfertigen. Bleibt das Faktum, dass eine Partei, die an der italienischen Regierung beteiligt ist, mit Putin vertraglich verbunden ist – wenn auch (angeblich) nur auf dem Papier -, während sich Italien im Einklang mit den Nato- und EU-Partnern an den harten Maßnahmen gegen den Angriffskrieg beteiligt.

Salvini drückt auf die Bremse …

Fakt ist auch, dass Salvini bei den Reaktionen Italiens auf die Invasion immer wieder auf das Bremspedal drückt. Er wendete sich gegen die Ankündigung Draghis, den Widerstand der Ukrainer auch mit Militärhilfen zu unterstützen, und berief sich dabei auf Papst Franziskus: „Europa fordere ich auf, keine tödlichen Waffen an die Grenzen zu Russland zu schicken, sondern dem vom Heiligen Vater vorgegebenen Weg zu folgen: Dialog, Diplomatie, Gebet“.

Dass Salvini sich auf einmal auf Franziskus beruft, ist bemerkenswert, hatte er doch bisher den „Santo Padre“ immer wieder attackiert, besonders wenn dieser für eine humane Flüchtlingspolitik und eine Beendigung des Massensterbens im Mittelmeer eintrat. Jetzt aber, wo es nicht um das Schicksal von Bootsflüchtlingen, sondern um das des russischen Diktators geht, entdeckt Salvini plötzliche Zuneigung für einen Papst, dem er und seine Lega vor Kurzem noch die Legitimität absprachen („Unser Papst ist Benedikt!“).

Nicht nur wegen der Militärhilfen, sondern auch gegenüber den Sanktionen gegen Russland äußerte sich der Lega-Chef skeptisch. Der Ausschluss von den Finanzmärkten und die Kappung russischer Gaslieferungen würden für Italien zum Boomerang werden: „Dann sitzen wir im Dunkeln und in der Kälte“.

Dass die Sanktionsmaßnahmen nicht nur den Aggressor, sondern auch die Staaten treffen, von denen sie ausgehen (besonders Italien und Deutschland, die in hohem Maße vom russischen Gas abhängig sind), ist richtig. Aber was bietet Salvini als Alternative? Der von ihm beschworene diplomatische Weg ist intensiv versucht worden und muss weiter versucht werden, doch Putin unterbrach ihn jäh mit Waffengewalt. Und Salvinis Appell „Vor allem darf man nicht aufhören, zu beten“ ist nichts als ein Hohn für die Ukrainer, die tagtäglich dem Bomben- und Raketenbeschuss ausgesetzt sind und verzweifelt versuchen, dem übermächtigen Aggressor Widerstand zu leisten.

und stimmt am Ende zu

Draghi würdigte Salvinis Appelle an Gott und den amtierenden Papst keines Wortes und präsentierte am vergangenen Mittwoch dem Kabinett das Paket mit den Sanktionen gegen Russland und den Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine, militärische eingeschlossen. Sie wurden dort einstimmig verabschiedet, auch mit den „Ja“ der drei Lega-Minister, womit Draghi dann auch vor die beiden Kammern treten konnte.

Da kam dann von Salvini, wie schon so oft, ein Rückzieher: Er stimmte im Parlament den Maßnahmen der Regierung plötzlich doch zu – weil er sich offenbar nicht leisten kann, mit einer Ablehnung den Bruch der Regierungskoalition zu riskieren. Zumal sich sogar seine Rivalin Meloni und deren Oppositionspartei Fratelli d’ Italia die Position der Regierung zu eigen machten und im Parlament den interfraktionellen Antrag gemeinsam mit den Regierungsparteien einreichten.

Das Parlament billigte die von Draghi vorgestellten Maßnahmen mit übergroßer Mehrheit: im Senat mit 244 Ja-, 13 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen; in der Abgeordnetenkammer, wo über einzelne Punkte des Antrags separat abgestimmt wurde, gab es zwischen 520 und 459 Ja, ca. 25 Nein und 12 Enthaltungen. Die Nein-Stimmen, die von ehemaligen „Grillini“, Sinistra Italiana und einzelnen Vertretern von Forza Italia und Lega kamen, betrafen die Entsendung militärischer Hilfen.

Salvini selbst versicherte dem Regierungschef in seinem Redebeitrag im Senat sein „volles Vertrauen“ und wies die „unnütze Polemik“ über die Freundschaftsbande zwischen Lega und Putins Partei zurück. Der Krieg bedeute nun mal eine Zäsur zwischen „dem, was vorher war, und dem, was jetzt ist“, erklärte er, und es sei klar, wer der Aggressor und wer der Angegriffene sei. Am Schluss seines Beitrags konnte er es dann nicht lassen, die rassistische Karte zu ziehen: er, der als Innenminister die italienische Häfen für Schiffbrüchige gesperrt hatte, forderte nun humanitäre Korridore und „Türen auf für Flüchtlinge aus der Ukraine“ – und zwar warum? Weil sie „richtige Flüchtlinge“ seien, „die uns moralisch und kulturell nah sind“, anders also als diejenigen aus Afrika. Die können in seinen Augen offensichtlich ruhig weiterhin im Mittelmeer ertrinken oder in libyschen Kerkern verrecken.

Meloni wählt den Weg des „patriotischen Zusammenschlusses“

Anders als Salvini mit seinem widersprüchlichem Kurs hat sich Giorgia Meloni, die Chefin der einzigen Oppositionspartei Fratelli d’ Italia, gleich klar positioniert: auf der Seite der Nato und der Regierung, für Sanktionen gegen Russland und für militärische Unterstützung der Ukraine. Zum ersten Mal verlässt Meloni damit den Weg der radikalen Opposition: Wenn die nationale Sicherheit in Gefahr sei, sei die Stunde des „patriotischen Zusammenschlusses“ . Ihre Partei, für die über allem die nationalen Interessen stehen, sei daher zur Stelle und werde daher alle Maßnahmen der Regierung mittragen.

Damit zeigt sich Meloni als die konsequentere Vertreterin der souveränistischen Rechten und, im Unterschied zu Salvini, als Parteiführerin mit „klarem Kompass“. Eine Haltung, die bei den Rechtswählern besser ankommen dürfte als Salvinis dauernde Kehrtwenden.

Entsprechend selbstbewusst trat Meloni vor ein paar Tagen auch auf internationalem Parkett auf, bei der jährlichen Konferenz der Republikaner (Conservative Political Action Cnferenze) in Florida, an der sie schon 2019 teilgenommen hatte. Damals allerdings lag ihre Partei bei 4%, heute wird sie in Umfragen – weit vor der Lega – bei 20% geschätzt.

Meloni versucht also, sich innenpolitisch und gegenüber den Konservativen im atlantischen Bündnis als zuverlässige Ansprechpartnerin zu profilieren. Mit dem Ziel, sich bei den Wahlen im nächsten Jahr die Führerschaft des Rechtsbündnisses zu sichern. Was ihr gelingen dürfte, da Salvini immer orientierungsloser wirkt und auch innerhalb der eigenen Partei zunehmend in die Kritik gerät, während der greise und gesundheitlich angeschlagene Berlusconi – auch er wie Salvini (und Schröder) ein großer Freund Putins – nach dem gescheiterten Versuch, das höchste Staatsamt zu ergattern, vor dem Ende seiner politischen Karriere steht.

Unsicherheitsfaktor 5Sterne, PD geschlossen aufseiten Draghis

Ein Unsicherheitsfaktor in Bezug auf die Maßnahmen der Regierung gegen Putin sind, neben Teilen der Lega, auch die 5Sterne. Während Außenminister Di Maio mittlerweile ohne Wenn und Aber die Positionen des atlantischen Bündnisses und Draghis Kurs unterstützt, gibt es innerhalb der 5SB auch einige durchaus einflussreiche „Putin-Versteher“: Wie der Staatssekretär im Außenministerium Manlio di Stefano und der Vorsitzende des Senatsausschusses für Außenpolitik Petrocelli, der bei der Abstimmung gegen das Maßnahmenpaket der Regierung votierte. Einige andere sind aus pazifistischer Überzeugung gegen Waffenlieferungen und blieben der Abstimmung fern. Der Leader der 5Sterne Conte, der früher selbst – wie auch Grillo – Sympathien für den russischen Machthaber hegte, trägt jetzt die Linie der Regierung mit und beteuert, die 5SB stehe „geschlossen zu einer scharfen Verurteilung der russischen Aggression“.

Wer vom Anfang konsequent den Kurs Draghis unterstützt, sowohl bei den Sanktionen als auch bei der Lieferung militärischer Hilfe an die Ukrainer, ist die PD mit ihrem Generalsekretär Enrico Letta. Die Fraktionen im Parlament haben kompakt dafür gestimmt. Mit den pazifistischen Komponenten seiner Partei, die sich mit Militärhilfen schwer tun, sucht Letta gezielt das Gespräch: Die Verfassung verbiete dem italienischen Staat, den Krieg als Instrument von Aggression gegen andere Staaten und zur Lösung internationaler Konflikte einzusetzen, argumentiert er, das bedeute aber nicht, dass man schutzbedürftigen Staaten, die Opfer einer Aggression sind, Hilfen zur eigenen Verteidigung, einschließlich militärischer Ausrüstung, verweigern darf. Seinen Redebeitrag im Parlament schloss Letta mit einem eindringlichen und auch emotionalen Appell: „Wir wollen kein neues Sarajevo, wir werden nicht wie die Blauhelme in Srebrenica unsere Blicke abwenden. Denn Demokratie ist keine rhetorische Phrase, sondern kann den Unterschied zwischen Leben und Tod machen“.

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