…und den Letzten beißen die Hunde
Italien muss sparen, auf Teufel komm raus, das wissen inzwischen alle. Dafür wurde Herr Monti angestellt, denn die Politiker konnten und/oder wollten die Schmutzarbeit nicht selbst übernehmen. Viel Hoffnung hat man in ihn gesetzt, viele Vorschusslorbeeren hat er erhalten. Inzwischen macht sich Ernüchterung breit, denn bislang hat es fast ausschließlich nur die getroffen, die sich nicht wehren können und keine Möglichkeiten besitzen, ihr Geld am Fiskus vorbeizulotsen. Und auch gespart wird mehrheitlich dort, wo kein großer Widerstand zu erwarten ist.
Die Universitäten machen da keine Ausnahme. Um ehrlich zu sein, hatte schon die Berlusconi-Regierung mit ihrem „Gelmini-Gesetz“ (benannt nach der vormaligen Berlusconi-Ministerin) mit der Demontage der Universitäten begonnen, bislang sind allerdings keinerlei Anzeichen zu erkennen, dass die Techniker (Professoren!)-Regierung hier gegensteuert. Was euphemistisch „Gelmini-Reform“ genannt wird, ist eher (auch finanziell) eine Tabula-Rasa-Aktion, die Einsparungen von 1,4 Mrd. € und keinerlei Investitionsmaßnahmen vorsah. Neben den Ausgaben für Verwaltung und Instandhaltung etc. sind davon auf der Personalebene vor allem die unteren Ebenen betroffen, d.h. neben den „Professori a contratto“ (für diesen Titel sind die Leute bereit, fast gratis zu arbeiten, im Falle der „Sapienza“ in Rom für 700 € brutto pro Semester pro Kurs inkl. Prüfungen, Diplomarbeiten etc.!), die massenhaft eingestellt werden, auch die Gruppe der „Ricercatori“ (Forscher); daneben gibt es dann noch die „Lettori“ (Sprachdozenten) oder, im Neusprech „Collaboratori linguistici“ (Sprach-Mitarbeiter), die allerdings außerhalb der offiziellen Kategorien als Teilzeitkräfte geführt werden.
“Ricercatore” bedeutet direkt übersetzt „Forscher“, allerdings gibt es diese Figur an allen universitären Fakultäten, auch an jenen (z.B. den Geisteswissenschaften), in denen keine extensive Forschungsarbeit betrieben wird. Selbstverständlich sind auch die ordentlichen Professoren verpflichtet, Forschung zu betreiben, während beim „Ricercatore“ die Lehrtätigkeit nicht obligatorisch ist, obwohl sie meist – zumindest teilweise – auch diese Tätigkeit übernehmen. Ungeachtet der Tatsache, dass sie dazu nicht verpflichtet werden können, liegen ca. 40 % der gesamten Lehrtätigkeit an italienischen Universitäten in ihren Händen, auch wenn sie offiziell nicht einmal den Status von Dozenten besitzen. Übrigens wurde die Arbeit der „Forscher“ für ganz Europa in einer Charta festgeschrieben (EU-Veröffentlichungsblatt vom 5. März 2005), die auch von Italien ratifiziert wurde, ohne dass sich allerdings auch nur das Geringste in der Praxis verändert/verbessert hätte – für Italien ein „Klassiker“.
Der „Ricercatore“ in der bis 2010 gültigen Rechtsform ist „ad esaurimento“ – frei übersetzt: ein Auslaufmodell. Seit der „Gelmini-Reform“ ähnelt er (ab 2011) dem deutschen Junior-Professor, denn ein erster Vertrag läuft über drei Jahre, kann dann noch einmal um zwei Jahre verlängert werden, und dann ist Schluss. Wer Glück hat, erkämpft sich anschließend einen der immer rarer werdenden Plätze eines Assistenz-Professors – und die anderen gucken in die Röhre.
Anders sieht die Situation für die ordentlichen Professoren aus, die am wenigsten von Einsparungsmaßnahmen betroffen sind, wenn man einmal davon absieht, dass in Pension gehende Dozenten nur in den seltensten Fällen ersetzt werden, was in manchen Fällen bereits dazu geführt hat, dass Studienkurse geschlossen werden mussten. Aber wie man aus den Gehaltsangaben erkennen kann, gehören sie zu den Kategorien, die nur am Rande von den Einschnitten betroffen wurden (wofür es in Italien viele weitere Beispiele gibt; z. B. die italienischen Vertreter im Europaparlament sind die mit Abstand bestbezahlten). Ob und wieweit von den Technikern an der Regierung geplant ist, hier gegenzusteuern, liegt bislang vollkommen im Dunkeln.
Die mit Gelmini begonnene Demontage der Unis geht ungebremst weiter, trotz der lauter werdenden Stimmen, die die extreme Sparpolitik Montis inzwischen als absolut überzogen und kontraproduktiv ansehen: Reines Sparen ohne längerfristige Wachstumsperspektive (wozu eindeutig auch Investitionen in Forschung und Bildung gehören) muss das Land über kurz oder lang abwürgen. Kurioser Nebeneffekt: Da ihr aufgrund ihrer Rigidität vielfach die Hauptschuld an der ökonomischen Situation Europas gegeben wird, ist Angela Merkel in Italien inzwischen wohl zur meistgehassten Politikerin geworden.
Die Situation in Zahlen (zum Vergleich die deutschen Entsprechungen)
- Prof. ordinario : zwischen circa € 4.000 (Anfangsgehalt) und € 8.300 brutto (nach 30 Dienstjahren);
W3-Professor: zwischen € 5.000 und € 5.500 brutto (plus evtl. Zuschläge). - Prof. associato: zwischen circa € 3.000 (Anfangsgehalt) und € 6.100 brutto (nach 30 Dienstjahren);
W2-Professor: zwischen € 4.200 und € 4.500 brutto (plus evtl. Zuschläge). - Ricercatore: zwischen circa € 1.600 Anfangsgehalt und € 4.300 brutto nach (bisher) 30 Dienstjahren.
Am Ende des fünften Jahres (= Ende der „neuen“ Karriere) würde ein Ricercatore heute ca. € 2.000 netto im Monat verdienen.
Die Unterschiede in Italien erklären sich daraus, dass für diese drei Kategorien alle zwei Jahre neben der allgemeinen Gehaltserhöhung eine automatische Erhöhung (= Altersbonus) anfällt.