Addio pizzo

„Addio pizzo“ heißt soviel wie: „Danke, wir wollen kein Schutzgeld mehr bezahlen!“. Das sagen inzwischen bereits 442 Geschäftsinhaber nicht nur in Palermo, sondern in ganz Sizilien, und 32 Unternehmen bieten Produkte unter dem Gütesiegel „pizzo free“ an. „Addio pizzo“ ist auch der Name einer im Jahre 2004 eher zufällig entstandenen Vereinigung, die sich dem Kampf gegen diese Seuche auf der Insel verschrieben hat. Begonnen hatte alles mit einer Klebeaktion, bei der eine Gruppe von jungen Leuten in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni Palermo mit Plakaten übersäte, auf denen dazu aufgerufen wurde, die Schutzgeldzahlungen einzustellen: „Ein Volk, das Pizzo bezahlt, ist ein Volk ohne Würde“ war da zu lesen, und: „Solange noch einer den Pizzo bezahlt, wird keiner von uns frei sein.“

Gegen alle Erwartungen begann sich etwas zu regen. Die regionalen Fernseh- und Radiosender brachten die Neuigkeit, der Präfekt von Palermo Giosué Marino berief eine Sondersitzung ein. Auf der anschließenden Pressekonferenz erklärte der Vertreter einer großen Arbeitgebervereinigung, man werde eine Telefonnummer einrichten, unter der alle Schutzgelderpressungen unter Wahrung der Anonymität gemeldet werden könnten. Es folgte ein offener Brief, veröffentlicht auf den Seiten der größten Tageszeitungen Italiens, und erst langsam, dann immer intensiver begannen sich die Akteure zu organisieren (heute stehen alle mit Vor- und Nachnamen im Internet!).

Sie entwickelten Strategien und führten Kampagnen durch, man unterstützte aktiv Geschäftsinhaber, die sich von den Schutzgelderpressern befreien wollen, und inzwischen gibt es sogar „AddiopizzoTravel“, eine Art do-it-yourself-Reiseorganisation, die vor allem in den Sommermonaten Informationstouren organisiert, auf denen allerdings nicht nur von der Schutzgelderpressung und all ihren negativen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft gesprochen wird, sondern auch über die Aktivitäten der Mafia in Gegenwart und Vergangenheit aufgeklärt wird. Und wo es auch um Erholung und Unterhaltung gemeinsam mit den Akteuren von „addio pizzo“ geht. Besonders (ent-)spannend ist die garantiert pizzofreie Fahrradtaxirundfahrt „Ecolapa City Tour“ durch die Gassen Palermos, auf der dem interessierten Touristen allerhand Wissenswertes zum Thema vermittelt wird.

Allerdings sollte man sich nicht allzu leichtfertigen Illusionen hingeben. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass noch heute sieben von zehn Geschäftsinhabern in Sizilien Schutzgeld bezahlen (die Zahlen sind leicht rückläufig). Das Geschäft bringt den „Beschützern“ einen Reingewinn von circa 10 Milliarden Euro pro Jahr, wobei diese Summe nur ungefähr 16 % der illegalen Einnahmen der Mafia ausmacht – der soziale Schaden dieses Delikts dürfte aber um einiges höher sein, da das organisierte Verbrechen gerade hierdurch – auch symbolisch – seine Herrschaft über die Region beweist.
Die Akteure von „addio pizzo“ sind trotzdem optimistisch. In Sizilien sind es bereits 135 Schulen, die sich an den Aktionen der Organisation beteiligen; die Menschen (vor allem die Geschäftsinhaber) werden mutiger, neue Gesetze wurden verabschiedet, mit denen dieses Verbrechen noch wirksamer bekämpft werden kann. „Wir gehören zu den vielen namenlosen Sizilianern, die die Geschichte, wenn auch langsam und mühevoll, von unten beginnend neu schreiben wollen. Und wir tun dies mit Enthusiasmus, Kreativität und unter vollem Einsatz.“

Wer an weiteren Informationen interessiert ist oder sich direkt mit der Organisation in Verbindung setzen möchte, kann dies unter www.addiopizzo.org tun.

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