Wohin, Herr Fini?

Vorbemerkung der Redaktion:

Der folgende Beitrag von Michael Schlicht erreichte uns einen Tag, bevor sich das politische Schicksal von Gianfranco Fini – vermutlich! – entschied. Fini ist amtierender Parlamentspräsident, Mitgründer des „Popolo della Libertà“ und bisheriger „zweiter Mann“ in der Partei-Hierarchie. Berlusconi hat am Donnerstag, den 22. April das 170-köpfige Präsidium zusammengerufen, um seine öffentliche Hinrichtung zu vollziehen. Es gibt oppositionelle Stimmen, die den Auftritt Finis auf diesem Forum als Fortschritt sehen möchten: Zum ersten Mal sei Berlusconis absoluter Führungsanspruch offen von innen her in Frage gestellt worden. Trotzdem war das Ergebnis ein triumphaler Sieg Berlusconis. Die Resolution, die Fini ins Abseits stellte, traf nur noch auf 11 Gegenstimmen. Fini war ein gewichtiger Vertreter des Wertkonservativismus in der PdL. Jetzt, nachdem dieses letzte innerparteiliche Hindernis aus dem Weg geräumt scheint, könnte der Weg frei sein für den Durchmarsch in die Doppelherrschaft Berlusconi – Bossi, von Cäsarismus und Rassismus.

… Und er rief seine Treuesten zu sich, und er zählte ihre Häupter, und siehe: Es waren um die 50 (so viele Parlamentarier haben am 20. April die „corrente Fini“ innerhalb der PDL gegründet).

Warum sich der Präsident des italienischen Parlaments gerade zu diesem Zeitpunkt „geoutet“ hat, ist nicht ganz klar, und einige seiner bisherigen Gefolgsleute haben sofort deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie für politische Abenteuer nicht zur Verfügung stehen und treu zu Berlusconi halten.

Der Umstand, dass die Lega, deren Politik Gianfranco Fini bereits in der Vergangenheit mehrmals teilweise heftig kritisiert hat, bei den letzten Regionalwahlen kräftig zulegte und somit zusätzliches politisches Gewicht gewann, dürfte eine nicht unerhebliche Rolle dafür gespielt haben, dass Fini aus der Deckung kam. Vollkommen überraschend ist diese Entwicklung nicht, hatte Fini doch bereits in den vergangenen Wochen und Monaten wenige Gelegenheiten ausgelassen, um den Premier und seine Politik meist indirekt, für den informierten Beobachter aber erkennbar anzugreifen.

Sicher ist, dass er mit dem Gang der Dinge innerhalb der PDL nicht einverstanden ist, und dies auch in grundsätzlichen Fragen. So lehnte er erst in den letzten Tagen den Vorschlag Berlusconis ab, eine Regierungsform nach französischem Vorbild mit einem starken Staatspräsidenten und einem schwachen, von jenem abhängigen Ministerpräsidenten einzuführen, wohl wissend, dass Berlusconi sich selbst bei nächster Gelegenheit um diesen Arbeitsplatz bewerben wird, vor allem falls sich dessen Aufgabenbeschreibung verändern sollte (das Ende der gegenwärtigen Legislaturperiode wird mit der Neuwahl des italienischen Staatspräsidenten zusammenfallen – das würde also passen). Weitere wichtige Meinungsverschiedenheiten betreffen den sozialen Bereich, die Gesellschafts- und insbesondere die Immigrationspolitik. Nicht ganz unwichtig ist sicherlich auch der Umstand, dass Fini (58) – bislang – als unbestrittene Nummer 2 in der PdL angesehen wurde, was verbunden ist (war?) mit der durchaus realistischen Aussicht, in absehbarer Zukunft das Erbe Berlusconis (73) antreten zu können.

Der zunehmende Erfolg der Lega scheint Fini zum Handeln zu zwingen. Wahrscheinlich hält er es für seine nächsten Züge in diesem Spiel für notwendig genauer zu wissen, auf wen er in dieser für ihn ziemlich entscheidenden Situation noch bauen kann. Auch aus deutscher Sicht ist die Sache nicht ganz unwichtig, denn obwohl der (noch?) Parlamentspräsident von vielen ob seiner arg rechten Vergangenheit mit Argwohn betrachtet wird, kann man inzwischen mit Recht behaupten, es bei ihm mit einem durchaus machtorientierten Menschen zu tun zu haben. Zumindest handelt es sich bei ihm um einen Politiker und nicht um einen in zwielichtige Geschäfte verstrickten Geschäftsmann, der in die Politik eingestiegen ist und diese fast ausschließlich dazu benutzt, um seinen eigenen Hals zu retten. Im Interesse Italiens und Europas und im Hinblick auf die zahllosen gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme, die es zu anzupacken gilt, wäre zu wünschen, dass Fini mit dem Versuch der Abnabelung vom „großen Bruder“ Erfolg hat. Ob er dazu das nötige taktische Geschick und den politischen Rückhalt besitzt, wird sich noch zeigen müssen.

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