Rücktritt eines Politikers

In Italien geschehen noch Zeichen und Wunder: Ein Politiker ist wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs zurückgetreten! Er war zwar nur der Bürgermeister von Bologna und ein Repräsentant der Oppositionspartei PD, und er hat sich auch mit Händen und Füßen gegen seinen Rücktritt gewehrt. Aber er ist am 25. Januar zurückgetreten, weil ihn seine Partei dazu gezwungen hat.

Die Sache ist fast zu banal, um über sie zu berichten: Seine Privatsekretärin war gleichzeitig seine Geliebte, und er hat sie verlassen. Um sich zu rächen, ging sie zum Chef der örtlichen Opposition, in diesem Fall der Berlusconi-Partei „Volk der Freiheit“, und offenbarte ihm, dass ihr „Ehemaliger“ ihr jahrelang ein nettes Pöstchen und ein schönes Leben mit öffentlichen Geldern finanziert hatte. Ihr Erfolg war durchschlagend. Der Bürgermeister steht vor den Scherben seiner politischen Karriere, wohl mit Recht, und seine Partei hat einen „Skandal“.

Warum ich diesen Fall überhaupt erwähne? Weil er beweist, dass wir die italienische Gesellschaft nicht über einen Kamm scheren dürfen. Klar ist: Ein Berlusconi ist schon wegen ganz anderer Dinge nicht zurückgetreten. Wäre ihm geschehen, was dem Bürgermeister von Bologna geschah, so hätte er seine bekannte und vielfach erprobte „Methode B“ angewandt: Die Linken verfolgen mich, sie wollen mich fertig machen, und nun ist auch Signora XY zu ihnen übergelaufen. Aber das Volk liebt mich, es hat mich gewählt, und da sie mich anders nicht zu Fall bringen können, versuchen sie es jetzt auf diese Weise, sich über den Willen des Volkes hinwegzusetzen. Er hätte zum wiederholten Male das V-Zeichen gemacht und wäre im Amt geblieben. Sein Wahlvolk hätte es mit einem Achselzucken quittiert, viele hätten ihm zugejubelt. Ähnliches kann sich die PD nicht leisten. Sie hatte bei diesem Skandal etwas zu verlieren.

Dies zeigt, dass es in Italien schon längst nicht mehr um die Frage geht, ob ein Politiker korrupt ist. Es geht vielmehr darum, welche politische Kultur sich durchsetzt: diejenige, in der das Erwischtwerden noch bestraft wird, oder diejenige, in der der Mächtige sich über alles hinwegsetzen und dafür sogar das Recht verbiegen darf. Hauptsache er kommt durch. Der Fall des Bürgermeisters von Bologna zeigt, wie riskant die erste Variante ist – wer hier stolpert, der kann auch fallen, weil es einen Maßstab gibt, an dem man sich messen lassen muss. Berlusconis schreckliche Saat ist es, dass unter ihm die zweite Variante Oberwasser bekam, die einen solchen Maßstab nicht mehr kennt. Gegenüber seiner Anhängerschaft hat er jede Bewegungsfreiheit.

Immerhin gibt es in Italien noch eine starke Minderheit, die anders denkt.

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