Amore e odio

Damit Sie wissen, worum es in Italien derzeit wirklich geht: nicht um die Zukunft der Demokratie, nicht um die Institutionen, nicht um Machtmonopol oder Pressefreiheit, auch nicht um Verfassungsfragen, oder um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes. Nein. Worum es geht ist: Liebe und Hass.

Jawohl. Der Ministerpräsident hat es inzwischen mehrmals klar verlauten lassen, erst aus dem Krankenhaus, wo er infolge des auf ihn verübten Anschlags lag, dann aus seiner Villa in Arcore, wo er sich derzeit erholt:

Es gäbe eine Mehrheit, die ihn liebt, und eine Minderheit, die ihn hasst. Zu dieser Schlussfolgerung sei er nun gekommen. Er seinerseits würde alle lieben. Uns alle. „Io voglio bene a tutti“. Genau. So kennen wir ihn ja auch: jovial, zugewandt, etwas schelmisch, immer ein netter (na ja…) Witz auf den Lippen, immer das Wohl des Landes im Auge. Deswegen ist er ja so beschäftigt und hat auch keine Zeit, zu den diversen Gerichtsverfahren zu erscheinen, die gegen ihn laufen. „Legittimo impedimento“ heißt das (auch dazu hat er eine „leggina“=“Gesetzchen“ im Auftrag gegeben), Dass er ab und an eine internationale Konferenz sausen lassen muss, weil er unaufschiebbaren Damenbesuch hat, das steht auf einem anderen Blatt, wer will ihm das schon verdenken. Er liebt ja auch alle…

Die von ihm diffamierten Richter, die Vertreter der Oppositionsparteien und ihre Wähler, die er beim letzten Wahlkampf liebevoll „coglioni“ (ungefähre Übersetzung: „Miststücke“ – wir entschuldigen uns bei unseren Lesern für die Verwendung solcher Ausdrücke…) titulierte, der von ihm beschimpfte italienische Staatspräsident, die von ihm angeklagten Zeitungen, alle spüren beinah täglich die Früchte dieser Liebe des Ministerpräsidenten.

Für sie alle dürfte daher seine feierliche Ankündigung in den vorigen Tagen, er sei wieder voller Tatendrang und die Liebe werde nun endgültig triumphieren, wohl eher wie eine Drohung klingen.

Nein, Herr Ministerpräsident: Es geht hier nicht um Liebe und Hass. Die haben im politischen Raum nichts zu suchen. Hier geht es um die „res publica“ und um die Frage, wie Italien regiert wird und von wessen Interessen diejenige geleitet werden, die es regieren. Und um den Raum, in dem sich darüber unterschiedliche oder gar gegensätzliche Vorstellungen auf demokratische Weise auseinandersetzen (dürfen). Und um die Sicherung des Rechts – eines gleichen Rechts für alle – in dem von der Verfassung vorgegebenen Rahmen. Lieben müssen wir uns dabei nicht. Und hassen auch nicht.

Insofern ist mir der Triumph des Rechtsstaates in diesem Fall alle mal wichtiger als der Triumph der Liebe – den spare ich mir für andere Gelegenheiten auf.

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