Beppe Grillo

Beppe Grillo und seine „5 Sterne-Bewegung“ gehören zur italienischen Opposition. Mit der Besonderheit, dass sie mit niemandem sonst ein Bündnis eingehen wollen. Sie halten die ganze politische Klasse Italiens für so verkommen, dass es Selbstvergiftung wäre, mit irgendjemand von dieser Klasse zu paktieren. Auch jetzt, wo sie bei der Mailänder Stichwahl mit ihren 5 % vielleicht den Ausschlag zugunsten des Oppositionskandidaten geben könnten, wollen sie keine Wahlempfehlung abgeben. Und nehmen dafür in Kauf, als mögliche Helfershelfer von B. zu erscheinen.

Trotzdem beginnt die „5 Sterne-Bewegung“ zu einem ernst zu nehmenden Faktor der Politik zu werden. Obwohl erst 2009 von Grillo gegründet, erreicht sie, wo sie antritt, inzwischen Ergebnisse, die in der Nähe der Mailänder 5 % lagen (in Bologna sogar 9 %). Sie ist dabei, der „Dritte Pol“ zu werden, der Casini, Fini und Rutelli eigentlich werden wollten.

An Beppe Grillo scheiden sich die Geister. Rechte Politiker hassen ihn, weil er sie gnadenlos attackiert. Linke hassen ihn noch inbrünstiger, weil er ihre Parteien kaum weniger heftig angreift. Und ihnen überdies, wie sie meinen, Wähler abspenstig macht. Seine Anhänger gehen für ihn durchs Feuer. Grund genug, um uns näher mit ihm zu beschäftigen.

Seine Auftritte sind eindrucksvoll: Klein, untersetzt und im Schlabber-Look auf „Urviech“ gestylt, mit wilden Haaren und Rauschebart, springt er wie ein Gnom auf der Tribüne herum. Als gelernter Komiker beherrscht er die Kunst der wütenden Schimpfrede. Gegen die Politiker, die korrupt sind, mit der Mafia paktieren, Staatsgelder abzocken. Nicht in der verschrobenen Hochsprache italienischer Politiker, sondern in der Alltagssprache, mit „Vaffanculo“ und „Cazzo“ durchsetzt. Die scheinbare Spontaneität seiner Auftritte und das zielsichere Ansteuern der Momente, in denen der Beifall losbrechen muss, zeigt den Profi. Er will nicht zum Denken anregen, sondern mitreißen. Darin ist er gut.

Seine Botschaften sind Ökologie, Vernetzung, Parteienkritik.

  1. Ökologie. Was er hier vertritt, ist für deutsche Umweltbewegte nichts Neues, z. B. in der Abfall- und Energiepolitik und bei der nachhaltigen Mobilität. Es erschöpft sich nicht in Rhetorik, denn die lokalen Gruppen seiner „5 Sterne-Bewegung“ suchen dafür jeweils konkrete Lösungen. Sie beteiligen sich aktiv an der Vorbereitung der – hoffentlich! – bevorstehenden Referenden über Atomkraft und Wasser, bekämpfen das „Zuzementieren“ der Städte und Großprojekte wie die Expo, die 2015 in Mailand stattfinden soll.
  2. Vernetzung. Die „5 Sterne-Bewegung“ ist eine der „Netz-Parteien“, die auf das Internet setzen. Grillo betreibt einen wichtigen Blog. Die Vernetzung ist die Basis für die Ablehnung der traditionellen Parteien und ihrer Hierarchien.
  3. Parteienkritik. Die beißende und beharrliche Kritik an der Verknöcherung der italienischen Politik und ihrer Verquickung mit Korruption, finanzieller Abzockerei, Verbrechen und Mafia ist sein Markenzeichen. Seine Forderung, kein Vorbestrafter dürfe Parlamentsabgeordneter werden, ist für italienische Verhältnisse revolutionär. Inzwischen ist allerdings auch bekannt geworden, dass er seinen Forderungen nach Sauberkeit und Transparenz selbst nicht gerecht wird – so hat er z.B. massiv zu verschleiern gesucht, dass er Einkommensmillionär ist. Und da er in jungen Jahren einen schweren Verkehrsunfall verursachte, könnte er nach seinen eigenen Maßstäben auch kein Abgeordneter mehr werden.

Seine Kritik an den Parteien, die er durch möglichst viel „direkte“ Bürgerpartizipation ersetzen will, geht weiter. Für ihn sind alle traditionellen Politiker „Tote“. Hier steht er denen, die er bekämpft, näher, als er selbst wahrhaben will. Wie Berlusconi ist Grillo kein Mann des Dialogs, sondern der Alleinunterhaltung. Berlusconi spaltet die Welt in Gut und Böse, in Licht und Dunkel. Grillo übertrumpft ihn, indem der die politischen Akteure beider Seiten für „tot“ erklärt. Wer „tot“ ist, bei dem muss man nicht unterscheiden, mit dem muss man nicht verhandeln. Auch Grillo enthumanisiert die politische Auseinandersetzung.

Der Publizist Marco Travaglio verteidigt Grillo mit dem Argument, es stimme gar nicht, dass er der Opposition Stimmen wegnehme. Denn er sei Sprachrohr derer, die sich längst enttäuscht von jedem traditionellen politischen Engagement zurückgezogen haben. Eher trage seine „5 Sterne-Bewegung“ dazu bei, sie wieder in die Politik zurückzuholen. Vielleicht kann man resümieren: Seine Wirkung ist ambivalent. Einerseits ist Grillo Ausdruck eines verbreiteten Ekels an der Politik. Andererseits bestätigt und verstärkt er diesen Ekel, hinter dem gerade in Italien auch eine lange Tradition der Bequemlichkeit und Selbstgerechtigkeit steht. Einerseits bringt er junge Leute dazu, sich wieder in ihre eigenen Angelegenheit einzumischen. Andererseits ignoriert er Ansätze zum Widerstand und zur Selbsttätigkeit, die sich woanders regen.

Angesichts der Mailänder Kommunalwahl schrieb Beppe Grillo im Blog: „Wir verbünden uns mit niemandem. Rechts und Links ist die gleiche Sache. Was Pisapia oder Moratti auch immer tun, sie werden beide die Expo machen und Millionen Kubikmeter von Zement produzieren“. Der Fundamentalismus beginnt damit, keine Unterschiede mehr zu sehen.

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