Italien und der europäische Gedanke

Der italienische Innenminister Maroni und mit ihm die ganze Regierung beklagen sich bitter über die “unsolidarischen und uneuropäischen” Staaten Europas, allen voran Deutschland und sein Minister Friedrich. Und sie haben allen Grund sich zu beschweren, ist Italien doch bekannt als Land, in denen der europäische Geist mehr als lebendig ist und europäische Richtlinien und Regelungen regelmäßig und postwendend umgesetzt werden.

Ein schönes Beispiel dafür ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Seit seiner Schaffung im Jahre 1959 betrafen circa die Hälfte aller Urteile vier Mitglieder des Europarats: Italien, Türkei, Russland und Polen. Zu Beginn 2011 betreffen 7,3% der 140.000 anhängigen Fälle Italien, wobei rein zahlenmäßig davor nur noch – wie gehabt – Russland, die Türkei, dann Rumänien und die Ukraine liegen (nach ANSA vom 27. Januar 2011). Legt man allerdings das Verhältnis anhängende Fälle : Bevölkerungszahl zugrunde, so liegt Italien laut Gerichtspräsidenten Jean-Paul Costa zumindest in der EU mit 0,64 Fällen pro 10.000 Einwohner an der Spitze – diesen Wert zitieren die italienischen Regierungsmitglieder allerdings nicht so gerne, wenn sie von ihrer Liebe zu Europa sprechen.

Und auch bei den Vertragsverletzungsklagen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg liegt Italien seit Jahren immer ganz vorne (siehe Europaparlament), womit das Land auch hier beeindruckend unter Beweis stellt, wie stark ihm der europäische Gedanke am Herzen liegt. Nur eines unter vielen Beispielen (von dem der Autor allerdings selbst direkt betroffen ist) stellt die Ungleichbehandlung von Fremdsprachenlehrern an italienischen Universitäten dar – fast ausschließlich Personen nicht-italienischer Nationalität und daher seit circa 25 Jahren ein (bislang noch ungelöster) Fall für die europäischen Institutionen.

Minister Maroni sollte sich also vielleicht erst einmal um die Angelegenheiten im eigenen Hause kümmern, bevor er Europa des unsolidarischen Verhaltens anklagt – Anlässe dafür gäbe es mehr als genug. Wie war das noch mit dem Glashaus und den Steinen?

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