Cara Silvia…


Vorbemerkung der Redaktion

Teresa Fontana studiert zurzeit in Augsburg Journalistik im Rahmen des Erasmus-Programms. In einem Brief an ihre Freundin Silvia, den sie uns zur Verfügung stellte, berichtet sie über ihre Gespräche mit deutschen Kommilitonen zum Thema „Italien und Berlusconi“


Liebe Silvia,

ich habe wenig Lust nach Italien zurückzukehren. Italien ist zwar immer noch ein wunderschönes Land, wo man gut Urlaub machen kann, aber mit einer sehr prekären politischen Lage. Wir müssen uns klar machen, welches Bild sich die europäische Öffentlichkeit von unserem Land macht und welche Meinung dazu insbesondere Jugendliche unseres Alters haben. Hier in Augsburg kann ich alles aus einer anderen Perspektive sehen. Was ich aus den Gesprächen mit Augsburger Studenten über das Italien Berlusconis erfahre, ist alarmierend. Ihre Antworten bestätigen, was wir schon befürchteten: Das Bild, das unser Land abgibt, ist verheerend, und das seit langem.

Die deutschen Studenten informieren sich vor allem über das Internet, Fernsehen und Zeitungen spielen eine untergeordnete Rolle. Das Netz ist eine grenzenlose Informationsquelle, schnell und leicht zu handhaben, um Nachrichten und Daten zu vergleichen und sich eine Meinung zu bilden. Die Studenten sind gut informiert, politisch interessiert und auch bereit, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren. Auch bei uns in Italien wäre es wichtig, dass die Bereitschaft zur politischen Partizipation nicht immer weiter sinkt, wovon Berlusconi, der für eine sehr einseitige Information über die Geschehnisse im Land sorgt, schon zur Genüge profitiert. Es war deswegen gut, dass die italienischen Frauen neulich gegen die „Pornokratie“ auf die Strasse gingen. In einem Land, wo oft derjenige siegt, der am lautesten schreit, erhoben sie laut ihre Stimme und haben endlich wieder für politische Einmischung gesorgt. Das wurde auch hier sehr deutlich wahrgenommen – meine deutschen Kommilitonen konnten sehen, dass die Frauen in Italien nicht bereit sind, sich zu bloßen Sexualobjekten degradieren zu lassen.

Wenn ich mit deutschen Studenten spreche, ist es oft schwer, ihnen ein Verständnis für die Situation der Jugendlichen bei uns zu vermitteln: permanente Auseinandersetzungen unter Politikern, in denen sich die Jugendlichen nicht wieder erkennen und die dazu führen, dass sie fast völlig das Vertrauen in die Politik und die Parteien verlieren, das ihre Eltern noch hatten. Und vor allem das Bewusstsein, dass es für sie, auch wenn sie studiert haben und gut ausgebildet sind, in ihrem Land keine Zukunft gibt, nicht nur in Süditalien.

Dass in Italien ein Mann regieren kann, der wegen zahlreicher gravierender Gesetzesverstöße angeklagt ist, erscheint hier den meisten unglaublich. Dies gilt auch für Maria (22 Jahre), die mir sagte, dass in Deutschland schon Minister wegen viel geringerer Vergehen zurücktraten. Man kritisiert vor allem die italienische Medienkonzentration. Leider wird dabei oft vergessen, dass es bei uns – glücklicherweise – immer noch unabhängige Zeitungen und Programme gibt. Wir sollten im Ausland viel mehr über die Arbeit mutiger und leidenschaftlicher Journalisten berichten. Aber die italienische Anomalie bleibt. Auf meine Frage, ob Italien noch als Demokratie zu bezeichnen ist, meinten die deutschen Studenten: nur dem Namen nach. Michael (23 Jahre) wundert sich, dass sich trotz wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung nichts verändert. Er meint, wir sollten in Italien unbefristet demonstrieren, wie es die Franzosen tun.

Die deutschen Studenten haben auch den Eindruck, dass die italienischen Bürger trotz allem stolz auf ihr Land sind. Umso schlimmer finden sie, dass ihr Regierungschef unter Nutzung seines Medienmonopols sich so an die Macht klammern kann. Sie sagen, die Jugend sollte dennoch die Hoffnung nicht verlieren und gewaltlos ihren Protest kundtun. Und die Opposition sollte endlich konkrete Alternativen zum populistischen Modell Berlusconis anbieten.

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