„Nicht schwul“

Dass B. nicht schwul ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Aber wer meint, über diese Tatsache mit einem einfachen „Na und?“ zur Tagesordnung übergehen zu können, der täuscht sich – zumindest im Fall von B. Bei ihm bedeutet es mehr, zehnmal mehr. Auch für seine Umgebung. Und für Italien.

Dass B. „nicht schwul“ ist,

  • bedeutet zunächst nur, was es bedeutet – auf Neudeutsch würde man sagen: „B. steht auf Frauen“. Was ihm gegönnt sei. Wenn es dabei bliebe.
  • prägt zweitens die rauschenden Feste, die er veranstaltet und, wie man hört, gern als Wettbewerb mehr oder minder bekleideter Frauen um seine Gunst inszeniert.
  • ist drittens die Botschaft seiner privaten Fernsehsender. Im prüden Italien der Nachkriegszeit waren sie deshalb so erfolgreich, weil sie erstmals eine bis dahin unbekannte Leichtigkeit des Seins in Gestalt weiblicher Nacktheit boten, und zwar in Farbe.
  • prägt viertens das Bild der Frauen, das er und seine Fernsehsender verbreiten. Die Aufgabe der Frauen ist es, jederzeit bereite Gespielinnen zu sein. Dafür bietet er patriarchalische Fürsorge, auch in Form öffentlicher Ämter, und chevalereske Aufmerksamkeit – er ist der „Cavaliere“. Es soll Frauen geben, bei denen das Anklang findet.
  • ist für ihn fünftens ein Grund öffentlichen Stolzes. Zwar wird Homosexualität nicht mehr gerichtlich verfolgt, aber die Gleichsetzung schwul = „pervers“ überlebt nicht nur im Halbdunkel der Sportbars und an den Wänden der Bedürfnisanstalten, sondern ermuntert auch zu entsprechenden Hexenjagden. B.s augenzwinkernder Spruch „Lieber Frauen als schwul“ zielt auf das Einverständnis, sein Potenzgehabe auf die Bewunderung dieser Unterwelt.
  • ist für ihn sechstens ein Mittel der politischen Sympathiewerbung. Es fischt damit ebenso in einer machistischen Volkskultur wie in den katholischen Vorstellungen vom „Natürlichen“ und „Gottgewollten“. Und es ist ein Schmiermittel seiner politischen Männerfreundschaften, von Putin über Gaddafi bis Lukaschenko.
  • ist siebtens eine Waffe, um politische Gegner niederzumachen. Bei Frauen, indem er kleine Bemerkungen über ihre körperlichen Vor- oder Nachteile fallen lässt, die letztlich auf das ultimative „Du wärst nicht gerade die, mit der ich…“ hinauslaufen. Und bei Männern, indem er sie mit gefälschten Dossiers über angebliche homosexuelle Vorlieben zu erpressen sucht.
  • brachte ihm achtens ein Problem ein. Denn er dehnt seine Gunst gern auf minderjährige Mädchen aus. Dies hat Weiterungen, es macht ihn zu einem Fall für die Justiz und brachte auch Teile der öffentlichen Meinung gegen ihn auf. Für ihn ein Grund mehr, um den italienischen Rechtsstaat aus den Angeln zu heben, mit dem er sowieso überkreuz ist.
  • hätte ihn damit neuntens fast in Konflikt mit der Katholischen Kirche gebracht. Was der politisch geschwächte B. nur damit kontern konnte, dass er den Gang nach Canossa antrat, das heißt – wie einst Heinrich der Vierte – sich zum „Sünder“ deklarierte und der Kirche beflissen vor die Füße legt, was sie sich nur wünschen kann. Damit sie ihn an der Macht lässt.
  • führt also zehntens dazu, dass er für sein Seelenheil (und politisches Überleben) dem Vatikan die laizistische Republik Italien opfert.

Das ist die volle Bedeutung dessen, dass B. „nicht schwul“ ist. Die Krankheit, die sich in seinem Fall damit verbindet und auch seniler Priapismus genannt wird, kommt Italien – und somit Europa – teuer zu stehen.

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